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Orientierung für das Leben – aber wie?

Interessante Diskussion beim Werteabend des EAK

Bruchköbel – Unter dem Titel „Orientierung für das Leben – Warum Werte Glauben brauchen“ hatte der Evangelische Arbeitskreis der CDU wieder ins Oberissigheimer Bürgerhaus eingeladen und konnte rund 200 Besucher begrüßen.

Als prominente Gäste konnte EAK-Vorsitzender Joachim Rechholz die Bischöfe Dr. Martin Hein von der evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck sowie Dr. Joachim Wanke vom Bistum Erfurt begrüßen. Beide stellten in kurzen Beiträgen ihre Positionen zum Thema dar.

Der Philosoph und katholische Theologe Dr. Joachim Wanke beschrieb „Werte“ als Überzeugungen, die nicht nur aufgrund einer rationalen Entscheidung, sondern auch mit emotionalem Engagement vertreten werden. Die interessante Frage bestehe für ihn darin, ob christliche Werte auch für Nichtchristen attraktiv sein können. Die meisten Werte eines Christen seien durchaus auch die Werte vieler anderer Menschen, jedoch, die Essenz christlichen Glaubens bestehe in einer Haltung, die sich in der Anerkenntnis ausdrücke, „unter seiner Herrschaft“ zu leben und zu agieren. Damit bekomme der Blick auf das Leid seinen besonderen christlichen Stellenwert.

Dennoch gebe es Brücken zu den Überzeugungen nichtreligiöser Menschen, die sich etwa in der Hochschätzung der Natur, der „Anerkennung des Mitmenschen als Meinesgleichen“, der Anerkennung der Würde des Menschen ausdrücken. Die Frage, wie Gesellschaft menschlich bleiben könne, sei durchaus auch ein Anliegen anderer Gesellschaftsgruppen.

Bischof Dr. Martin Hein versuchte, christliche Wertedefinition aus der Feststellung heraus zu geben, dass zunächst einmal der Mensch sein Leben „nicht aus sich selbst“ heraus innehabe, und dass er es auch nicht „für sich selbst“ lebe. Beide Ansichten bilden nach Hein die Basis für gelebte Solidarität, deren Kerngedanke an die christliche Nächstenliebe heranreiche. Daraus folge auch das christliche Eintreten gegen jede Form der Vermassung und Ent-Individualisierung des Menschen, was etwa Auswirkungen auf die christliche Haltung zu Fragen der Sterbehilfe habe.

Nach den Plädoyers der Bischöfe entwickelte sich unversehens eine spannende Diskussion.

Einzelne Beiträge aus dem Publikum, die das eindeutige Bekenntnis zur Bibel einforderten, wurden von den Bischöfen auf dem Podium nicht recht begrüßt. Es sei nicht angebracht, so Bischof Wanke, aus der Bibel direkte Anweisungen zur Gestaltung von Gesellschaft zu entnehmen. Diese vereinfachte Lesart der Bibel widerspreche der wissenschaftlich-theologischen Beschäftigung mit einer komplexen, archaischen Schrift, die ausgelegt werden müsse und dadurch erst zum lebendigen, nutzbaren Text werden könne. Wanke bekräftigte seine Ansicht mit der Aussage, dass ihm „ein denkender Atheist lieber sei als zehn verbohrte Altkatholiken“, ihm sei aber auch bewusst, dass die Gratwanderung zwischen Bibelfestigkeit und lebendiger Auseinandersetzung stete Sache der Christen sei.

Der evangelische Bischof Hein begrüsste die Bemühungen von Christen, eigene Einrichtungen wie etwa Schulen zu schaffen, weil hier christliches Engagement sichtbar werde und Früchte tragen könne. Dazu äußerte auch Bürgermeister Michael Roth, der zuvor schon in einer kurzen Begrüßungsansprache die Aussage „Holt Gott zurück in die Politik!“ unterstützt hatte, dass die Stadt Bruchköbel die Gründung der christlichen Schule Oberissigheim in ideeller Weise unterstützt habe und auch weiter Engagement in dieser Richtung zeigen wolle. „Auch da muss ich leider Wasser in den Wein gießen“, entgegnete ihm daraufhin Bischof Wanke. Die kirchliche Trägerschaft solcher Einrichtungen wie Kindergärten oder Krankenhäuser sei nicht das originäre Ziel christlichen Bemühens. Ein Krankenhaus etwa sei zunächst ein „Wirtschaftsunternehmen“. Christen sollten sich durchaus auch und gerade in nichtkirchlichen, öffentlichen Einrichtungen engagieren. Die Kirche sei nicht dazu angetreten, flächendeckend kirchliche Trägerschaften einzuführen und sich so aus der übrigen Gesellschaft zu entfernen. Es sei vielmehr sinnvoll, dass sich Christen mitten in die Gesellschaft begeben. Bischof Heim bekräftigte demgegenüber seine Ansicht, dass Christen mit eigenen Einrichtungen „Zeichen setzen“ sollten.

Nachdenken über Konsequenzen

Gespräch mit Schlägerei-Opfern

Bruchköbel – Wenn man Sandra (16), Max (16) und Dennis (21) aus Bruchköbel gegenüber sitzt, dann mag man kaum glauben, dass die drei Freitagnacht, nach dem Weihnachtsmarkt, Opfer einer Schlägerei geworden sind.

Allerdings trägt Max derzeit eine Metall-Schutzkappe über der Nase, denn er hat als Folge eines rohen Schlages mitten ins Gesicht einen Nasenbeinbruch erlitten, der operativ behandelt werden musste. Auch die Freunde trugen ernste Blessuren davon, Dennis war mit einem Schädel-Hirn-Trauma im Krankenhaus. Weil sich die drei seither nicht sicher fühlen, haben wir ihre Namen geändert.

Wir wollten wissen, wie sich der Vorfall, über den zuletzt als „Schlägerei“ berichtet worden war, aus der Sicht der Opfer abgespielt hat. Die drei berichteten, dass sie kurz vor Mitternacht über den Freien Platz gegangen waren und vor der Bühne auf eine Gruppe etwa 15-20 junger Leute trafen. Es ertönten beleidigende Äußerungen, die Passanten wurden als „Zecken“ tituliert. Es sei dann zu Rempeleien gekommen. Sandra, Max und Dennis konnten sich aus dem Gemenge lösen und setzten ihren Weg entlang der Hauptstraße fort. Eine größere Gruppe nahm die Verfolgung auf. Als es an der Kreuzung Bahnhofstraße erneut zu Attacken kam, rief man per Handy die Polizei. Die drei Jugendlichen liefen dann weiter, wurden vor dem Altenwohnheim erneut gestellt. Beschwichtigungsversuche blieben nutzlos. Mehrere der zumeist älteren Verfolger griffen nun massiv an, die drei wurden zu Boden geschlagen und am Boden liegend getreten. Max hatte sich noch bis zur Eingangstür des Altenheims zurückziehen können, in der Hoffnung, dass dort ein Nachtportier Hilfe holen könne, wurde dort jedoch ebenfalls von mehreren Leuten zu Boden geworfen und mit Tritten misshandelt. Irgendwann ist dann die Polizei eingetroffen.

Nach diesen Schilderungen scheint die Bezeichnung des Vorganges als „Schlägerei“, worunter landläufig eine Keilerei unter Gruppen verstanden wird, verfehlt. Rund 15 zumeist ältere Personen, die einer Gruppe dreier Jugendlicher nachstellen und die auch nicht davor zurückschrecken, auf ein Mädchen einzuschlagen – bei diesem Angriff war das Kräfteverhältnis sehr einseitig verteilt.

Verstörend ist auch der Vorgang, dass sich unter den Angreifern mehrere junge Frauen befunden haben sollen. Die seien zwar selbst nicht als Schläger aktiv geworden, hätten jedoch auch keinerlei Hilfe geleistet. Auch sollen die Täter alkoholisiert gewesen sein.

„Was in diesen Leuten abgeht, kann ich nicht begreifen“, zeigt sich Sandra immer noch fassungslos. Besonders am Wochenende getraut sie sich nicht mehr, abends alleine durch die Stadt zu laufen. Was ihre Peiniger zu dem gewalttätigen Vorgehen provoziert haben könnte, ist nach Meinung der drei ihr Äußeres - alle tragen recht chic und kunstvoll gestyltes, punkiges Outfit, mit Farbtupfern im Haar. Sie vermuten in ihren Angreifern „Hiphopper“. „Hiphop“ ist eine ursprünglich sozialkritische motivierte Jugendbewegung, die in ärmeren amerikanischen Milieus ihren Ursprung hat. Inzwischen aber werden Äußerungen aus dieser Szene zunehmend kritisch gesehen, weil Gewalt- und Drogenverherrlichung und mädchen- bzw. frauenfeindliche Inhalte verbreitet werden. Zwar seien keine „Glatzen“ oder Neonazis unter den Angreifern gewesen, aber diese, so wird beteuert, gibt es in Bruchköbel ebenfalls.

Im aktuellen Fall wird nun von der Polizei ermittelt. Einige Namen der Angreifer sind bekannt, so daß die strafrechtliche Seite wohl bald aufgeklärt sein dürfte. Was die soziale Seite betrifft, ist jedoch Besorgnis angebracht. Was müsste geschehen? Sandra, Max und Dennis werden nachdenklich. Sie erzählen von Mitschülern, die inzwischen rechte Sprüche klopften und „abgedriftet“ seien. Sie sehen die Bruchköbeler Politik und die Schule in der Pflicht, sich stärker präventiv zu engagieren. Es müsse deutlicher anerkannt werden, daß es ein Problem mit rechter Gewalt gibt. Sicherheitskräfte sollten nach Festen auch zu späterer Stunde noch im Stadtgebiet präsent sein. Und es müssten Angebote an die Jugend ausgeweitet werden, um auch Jugendliche, die auf Abwege geraten, noch erreichen zu können.

Unschöne Szenen an der Jakobuskirche

Bruchköbel – Am Rande des Weihnachtsmarktes ist es am Freitagabend kurzzeitig zu unschönen Szenen gekommen. Nach Mitteilung der Polizei sind gegen 21:45 Uhr rund 15 Personen im Bereich des Innenhofes zwischen dem evangelischen Gemeindezentrum und der Jakobuskirche gegenüber Sängern des Gospelchores, der in der Jakobuskirche sein Konzert gab, ausfällig geworden.

Als sich Besucher und Passanten gegen das Treiben wandten und die Pöbeleien unterbinden wollten, seien sie ebenfalls beleidigt worden. Die umgehend durch Zeugen des Geschehens herbeigerufene Polizei, die mit mehreren Polizeiwagen eintraf, nahm acht Personen fest und erteilte weiteren Personen einen Platzverweis. Die Festgenommenen sollen einige Stunden später wieder entlassen worden sein. Nach Aussage der Polizei habe es sich bei den betreffenden Personen offensichtlich um eine „Klientel mit rechtsextremen Ansichten“ gehandelt. Dazu soll auch Alkohol im Spiel gewesen sein.

(Beitrag Stand 3.12.06.)

Demonstration in Bruchköbel

Massive Polizeipräsenz / Gegen „rechte Strukturen“

Bruchköbel – Rund 100 bis 150 Teilnehmer marschierten am Samstag Nachmittag im Rahmen einer Demonstration unter dem Motto „Rechte Strukturen in Bruchköbel zerschlagen“ durch das Stadtgebiet. Der Zug führte im Verlauf von etwa drei Stunden, vom Fritz-Horst-Platz ausgehend, durch den Stadtkern in Richtung der Heinrich-Böll-Schule und von dort durch einige Wohngebiete des Ortsteiles Roßdorf hindurch. Anschließend kehrten die Demonstranten über die Landstraße durch den Viadukt wieder zum Ausgangspunkt zurück. Insgesamt verlief die Demonstration ohne Zwischenfälle. Die Demonstranten wandten sich gegen vermutete rassistische und rechtsradikale Tendenzen im Bruchköbeler Stadtgebiet. Es gibt nach Meinung und Beobachtung einiger der Teilnehmer in Bruchköbel Personen mit diesem Hintergrund, die angeblich organisiert auftreten. Der Magistrat hatte die Demonstration zunächst verboten, jedoch war erwartungsgemäß eine gerichtliche Erlaubnis der Durchführung erfolgt.

Ab etwa 15 Uhr wurde dann der Marsch während seines gesamten Verlaufes von einer großen Anzahl von Polizisten bewacht, weil eventuelle Zusammenstöße unterbunden werden sollten. Die Szenerie hatte aus diesem Grund etwas Bizarres: dem Zug folgten zahlreiche kleine Mannschaftsbusse der Polizei, und es erschien nicht übertrieben, dass weit mehr Polizisten zur Sicherung der Demonstration im Einsatz gewesen sind, als überhaupt Demonstranten anwesend waren.

Dass das Problem einer rechten „Szene“ in Bruchköbel besteht, ist nicht von der Hand zu weisen. Unterhält man sich mit manchen Lehrkräften oder Schülern an der HBS, so werden Indizien hierfür geschildert. Nicht umsonst wird dort das Projekt „Schule mit Courage“ betrieben. Es besteht stets die Sorge, dass Jugendliche, die sich in einer labilen Phase befinden und sich beispielsweise dem Schuldruck nicht gewachsen und ausgegrenzt fühlen, abgleiten können und dann empfänglich für Ideologien mit einfachen Rezepten werden. Ob allerdings dieser komplexen Problematik ein etwa in der Roßdorfer Ringstraße skandiertes „Nie wieder Deutschland!“ gerecht werden kann, kann bezweifelt werden. Insider der Antifa-Szene werden wissen, was mit der Parole gemeint ist, aber der eigentlichen Arbeit an diesem Problem, die in der Regel an Lehrern, Jugendzentrumsbediensteten und nicht zuletzt Eltern hängen bleibt, wird eine solche polarisierende Nicht-Kommunikation wohl wenig gerecht.

(Archiv - veröff. im "Bruchköebeler Kurier" v. 15.7.2004)

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