26
Aug
2012

Grüne Sommersprossen

Bündnis90/Grüne Bruchköbel äußern sich zum Ende einer lokalen Ära

(Bruchköbel/jgd/pm) – Bündnis90/Grüne haben jetzt in einer schriftlichen Rückschau ihre Gedanken zu den vergangenen sechs Jahren ihrer Zusammenarbeit mit der CDU veröffentlicht. Den als „entspannte Reflektion“ bezeichneten, lesenswerten Text kann man als kommunalpolitisches Dokument zum Ende einer bemerkenswerten politischen Ära auffassen, in der CDU und Grüne seit 2006 im Bruchköbeler Parlament zusammengearbeitet haben. Die beiden Parteien hatten in dieser Zeit in einträchtiger Arbeitsteilung den Bürgermeister und den Ersten Stadtrat gestellt. Wohl mit Absicht wurde der Text zum nahenden Zeitpunkt des erzwungenen Endes der Amtszeit des grünen Ersten Stadtrates Uwe Ringel publiziert. Der Bruchköbeler Kurier dokumentiert ihn in vollständiger Länge:

„Tat gut, die parlamentarisch-politische Sommerpause nach einem sehr turbulenten und arbeitsintensiven kommunalpolitischen Jahr. Die grünen Stadtverordneten haben den Urlaub genossen und wieder etwas mehr Zeit mit den Familien verbracht. Bringt ja auch interessante Einblicke, wenn man mal wieder mit ein wenig Distanz auf den politischen Tagesbetrieb schaut.

So brauchte die Fraktion mit den drei großen B im Namen offenbar fünf Jahre und ein sommerliches Grillfest, um endlich ihr politisches Programm für Bruchköbel öffentlich klar zu formulieren: Die Abwahl des grünen Ersten Stadtrates und des CDU-Bürgermeisters. Eine Perspektive für die Zukunft ist das ja nun nicht gerade. Delikat dabei ist nicht nur, dass die führenden Köpfe dieser Fraktion jahrelang das Schicksal Bruchköbels mit absoluter Mehrheit prägen konnten und schließlich selbst die Wahl Uwe Ringels zum Ersten Stadtrat befördert und ihn vermutlich auch gewählt haben. Zwischenzeitlich beklagen sie unablässig, dass Bruchköbels ’Hauptamtliche’ die Stadt in die Schuldenfalle getrieben hätten – wohl wissend, dass die Mehrausgaben nicht von den heute Handelnden zu verantworten sind. Sie resultieren, wie die Ausstattung der Kindergärten mit U3-Plätzen, meist aus kommunalen Verpflichtungen, denen keine fairen Finanztransfers gegenüber stehen. Und dass sie selber früher erfolglos in den Bemühen waren, die Einnahmensituation der Stadt zu verbessern und noch vor nicht langer Zeit die Stadt in den – vorhersehbar nicht genehmigungsfähigen – Neubau eines millionenteuren Hallenbades treiben wollten, ist wohl schon vergessen. Eine unverantwortliche Verschwendung von Steuergeldern seien dagegen rund 150.000 Euro für die kompetente und ausgiebige Beratung durch eine hochspezialisierte Fachanwaltskanzlei im Investorenwettbewerb Neue Mitte. Alles eine Frage der Perspektive, nicht der Fakten.

Aber noch mal zurück zum Kita-Ausbau: Das muss man wohl unter ’Kuriosa’ verbuchen, dass gerade die Paragrafen- und Polemik-Partei dem Stadtrat Ringel vorwirft, die Anbauten würden deutlich teurer als erwartet (auch, weil sie nicht nur für Kinder unter drei Jahren geeignet sein sollten) und er hätte zu wenig ortsansässige Handwerksbetriebe beauftragt. So ist das nun mal beim Vergaberecht, mit dem Kungeleien ausgeschlossen werden sollen: Man holt Angebote ein und der wirtschaftlichste Anbieter erhält den Zuschlag. Eine Bevorzugung Ortsansässiger ist explizit ausgeschlossen, und in welcher ’Preislage’ die Angebote dann tatsächlich liegen, weiß man hinterher. Da könnte man dem ehelichen Partner auch gleich vorwerfen, warum er denn an der Tankstelle 1,55 Euro pro Liter Benzin gezahlt hat. Ein Euro zehn hätten doch gereicht… Aber es gibt ja auch (neuerdings) unabhängige Stadtverordnete, die lange Wochenenden in arbeitsintensiven Haushaltsklausuren über dicke Zahlenwerke gebeugt hart arbeiten, um dann Wochen später durch einen erleuchtenden Fingerzeig der Opposition zu der Erkenntnis gelangen, dass die Stadt hoch verschuldet ist. Nur zu verständlich, dann enttäuscht aus der bisherigen Fraktion auszutreten. Oder?

Aber so ist das mit Lesen und Rechnen, das ist gelegentlich schwierig. Manche Rechnerei der ehemaligen Partei der Arbeiterklasse über die Einsparungen am Gehalt des hauptamtlichen Ersten Stadtrats könnte sich da schon bald als Milchmädchenrechnung erweisen. Um bei den hinkenden Beispielen zu bleiben: Deutlich sparen lässt sich auch, wenn man die Wartung der häuslichen Gasheizung selbst vornimmt – zumindest der Kostenexplosion der Fachhandwerkerrechnung lässt sich so erfolgreich vorbeugen. Gerade Uwe Ringel hat sich als Meister darin erwiesen, Projekte für die Stadt zu realisieren, die gar nicht oder nur zu geringen Teilen aus städtischen Töpfen finanziert wurden. Er hat, können die Grünen behaupten ohne rot zu werden, sein Geld verdient. Und er wird im Stadtbild präsent bleiben: Vom geschützten Baumbestand im Stadtwald über energetische Sanierung städtischer Gebäude und der Krebsbachrenaturierung bis zur Umgestaltung der Hauptstraße, dem Bahnhofsprojekt und dem neuen Turbo-Ringel – äh, pardon: Turbo-Kreisel vor dem Viadukt.
Immerhin: Nachdem die ’Neue Mitte’ nicht mehr mit dem Namen des grünen Ersten Stadtrats verbunden werden muss, und von einem ’Neustart’ die Rede ist, kann sich auch die Fraktion, der das Projekt mal zu groß und mal zu klein war, der Idee annähern, etwas für die Zukunft Bruchköbels zu entscheiden.

Ach ja, die Entscheidungen. Noch nie gab es für ein Projekt in Bruchköbel eine derart breite öffentliche Debatte und Bürgerbeteiligung, wie Uwe Ringel sie für die ’Neue Mitte’ angelegt hatte. Nachdem einige die Möglichkeit der Bürgerbeteiligung lautstark genutzt hatten, entdeckten auf einmal alle Fraktionen, dass es ganz viel mehr Bürgerbeteiligung braucht. Manchmal drängte sich der Eindruck auf, dass die Bürgerinnen und Bürger am besten alles selbst entscheiden sollten, so dass die Fraktionen gar keine Verantwortung mehr tragen müssten – bis dann doch einige helle Köpfe auch des neuen Kleeblatts der oppositionellen Mehrheit erkannten, dass sie von den Bürgern gewählt worden waren, um für sie Entscheidungen zu treffen. ’Repräsentative Demokratie’ heißt das Zauberwort. Obwohl… vielleicht sollten wir die Bürgerinnen und Bürger in einem Volksentscheid auch darüber abstimmen lassen, ob der Stechmückenplage im südlichen Bruchköbel ein Ende gesetzt werden soll. Dann aber bitte die Schneckeninvasion in den Roßdorfer Vorgärten nicht vergessen!

So viel Freiheit, Unabhängigkeit und Liberalität gab es im Bruchköbeler Parlament noch nie – da kann man schon mal den Überblick verlieren. Etwa, indem man eine pauschale 10-prozentige Stellenkürzung bei den städtischen Angestellten im Haushalt verankern will. 10 Prozent – das sind 25 von rund 250 Arbeitsplätzen. Ob es dann so richtig dazu passt, die Servicezeiten im Rathaus und im Wertstoffhof auszudehnen? Wahrscheinlich ebenso gut, wie die Forderung nach einem Ausbau des Hortplatzangebots – einer freiwilligen Leistung der Stadt, die noch mit der Finanzaufsicht des Kreises darum kämpft, die Kita-Öffnungszeiten etwas flexibler gestalten zu dürfen. Schon interessant, wenn Liberale nach mehr Staat rufen.

Naja, die Opposition. Wer ist das jetzt eigentlich? Und zu wem? Der Kooperationspartner der Grünen hat sich in den vergangenen Jahren derart intensiv gehäutet, dass er fast schon seine eigene Opposition geworden und womöglich auf dem Weg zu einer modernen Partei ist. Die ’alten Herren’ wurden abgelöst und ringen jetzt unter anderem Namen und mit allen Kniffen darum, wieder Regierung zu werden. Ihr politisches Programm… - ach, das hatten wir ja schon.

Fazit der Grünen: Die oppositionelle Mehrheit kümmert sich um die Mücken, während der Stadt an allen Ecken und Enden die Kröten fehlen. Die Mehrheit dieser Mehrheit hat ja auch ein klares Ziel: Ihre persönlichen Rechnungen mit den hauptamtlichen Magisträtern zu begleichen. Da müssen mitmenschlicher Respekt und vor allem die Zukunft Bruchköbels schon mal warten…

Politik in Bruchköbel bleibt spannend und, leider, unberechenbar. Die Grünen bleiben, wie sie waren: Berechenbar.“

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