5
Jul
2004

Messexperten untersuchten Handymasten-Strahlung

Messwerte niedrig, Grenzwerte utopisch hoch

Bruchköbel/Hessen - Mit einer großangelegten Messkampagne hat das „Informationszentrum Mobilfunk“ (IZMF), eine Organisation von Mobilfunk-Firmen, an verschiedenen Orten über ganz Hessen verteilt die von den Handy-Sendemasten ausgehende Mobilfunk-Strahlenbelastung ermitteln lassen. Die Auswahl der Messpositionen war weitestgehend den Kommunen überlassen worden - aus jeweils drei Vorschlägen hat der durchführende TÜV-Nord je einen Ort für die Messung bestimmt. Die Aktion ist von Mobilfunkkritikern scharf kritisiert worden.

Zwar gehörte die Stadt Bruchköbel nicht zu den einbezogenen Städten, aber in der Nachbarstadt Hanau oder auch im nicht weit entfernten Friedberg erfolgten Messungen der Strahlenemission. Da die Mobilfunkdiskussion hier vor einiger Zeit hohe Wellen geschlagen hat, dürften die Messergebnisse auch für Bruchköbels Bürger interessant sein.

Der eigentliche Bericht der Ingenieure des TÜV, den man sich im Internet unter www.izmf.de herunterladen kann, kommt ziemlich trocken daher. Es werden die ausgewählten Messpunkte in der Nähe von Mobilfunksendern vorgestellt. Viele der beteiligten Kommunen haben bei der Auswahl dieser Stellen Wert darauf gelegt, dass kritische Bereiche wie Schulen oder Kindergärten mit einbezogen wurden. In Hanau fiel die Wahl zum Beispiel auf eine Kindertagesstätte mit Nachbarschaft zu zwei Sendestationen. Generell kann man sagen, dass die Auswahl der Messorte für Hessen einen repräsentativen Stichproben-Querschnitt bilden dürfte.

Die Ergebnisse werden in dem TÜV-Bericht je Standort aufgeschlüsselt präsentiert, wobei benannt wird, wieviel Prozent vom geltenden Grenzwert erreicht werden. Es ist für jeden Sender eine Hochrechnung auf die maximale Auslastung der Anlage vorgenommen worden. Wie in Hanau, so traten bei den Messergebnissen auch landesweit recht niedrige Messwerte auf. Die Aussage „niedrig“ bezieht sich allerdings auf die bundesweit geltenden Grenzwerte, welche bekanntlich insbesondere von Mobilfunkkritikern als viel zu hoch angesehen werden.

In Deutschland gilt beispielsweise für den Betrieb des D-Netzes bei der sogenannten „Leistungsflussdichte“ ein Grenzwert von 4.500 mWatt/qm. Dieser Wert beschreibt die Menge der auf eine Fläche von 1 qm auftreffenden Energie, welche diese Fläche erwärmen kann oder anderweitige, z.B. biologische Auswirkungen hervorzurufen vermag. Im Falle der Hanauer Messung in Nähe des Kindergartens wurde zum Beispiel für maximale Belastung ein Wert von 0,542 mW/qm ermittelt. Die Belastung beträgt in diesem Falle also rund 0,01% des geltenden D-Netz-Grenzwertes, und liegt damit eher im unteren Bereich aller Werte. In Hanau wurde andererseits auch der landesweit grösste Einzelwert festgestellt, der bei 119,1 mW/qm liegt. Über 50% der ermittelten hessischen Einzelwerte sind kleiner als 1 mW/qm, weitere rund 40% erreichen höchstens 10 mW/qm. Insgesamt 14 Einzelwerte erreichen oder überschreiten im Einzelfall den Wert 100 mW/qm. Eine statistische Auswertung der Zahlen ist zwar unter Vorbehalt zu sehen, aber es lässt sich zumindest feststellen, dass die in den großen Städten (Frankfurt, Wiesbaden, Darmstadt usw.) auftretenden Werte im Schnitt rund doppelt so hoch herauskommen wie solche Werte aus kleineren Kommunen. Überschlägig liegt der Durchschnitt der Werte aus Großkommunen bei rund 10 mW/qm, während in kleineren Orten der Durchschnitt unter 5 mW/qm, zum Teil noch weit darunter verbleibt.

Die Messkampagne wurde von hessischen Mobilfunkkritikern heftig kritisiert. In einer Presseerklärung des Hessischen Landesverbandes wird behauptet, dass sich „der zugrunde gelegte Vergleich zwischen dem verordneten Grenzwert und den vor Ort gefundenen Messwerten verbietet“. Er sei „schlichtweg als Versuch der Verdummung der betroffenen Bevölkerung zu sehen.“ Es sei wissenschaftlich zweifelsfrei anerkannt, dass der geltende Grenzwert den menschlichen Körper nicht vor biologischen Beeinflussungen des Gewebes schützen kann. Dem Bürger werde die Beurteilungsfähigkeit der Zusammenhänge abgesprochen und jede Vorsorge verweigert.

Die Messungen zeigen aber auch, dass die Diskussion um die utopisch hohen Grenzwerte in Deutschland eine Gespensterdiskussion ist. Die jetzt in Hessen ermittelten Werte bewegen sich nämlich in der Tat in weit, weit niedrigeren Größenordnungen. Diese kommen sogar den Empfehlungen mobilfunkkritischer Organisationen zumindest nahe. So schlug beispielsweise das Hannoveraner ECOLOG-Institut 10 mW/qm als Obergrenze vor, und auch die von Mobilfunkgegnern oft zitierten niedrigen Schweizer Grenzwerte liegen im Bereich unter 100mW/qm. So stünde in der Tat, aus technischer Sicht, einer deutlichen Senkung der bundesdeutschen Grenzwerte nichts im Wege. Der Handlungsbedarf läge also bei der Bundesregierung. Ob die sich allerdings einen solch gewaltigen „Reformschritt“ auch noch aufzubürden getraut, ist bei der derzeitigen Stimmungslage wohl eher fraglich... So wird der Streit wohl weiter in den Kommunen ausgetragen werden, wo Ortspolitiker für die Unterlassungen der „großen“ Politik verantwortlich gemacht werden.

Archiv - erschienen im "Bruchköbeler Kurier" vom 8.7.2004

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