4
Dez
2012

Der Dialogprozess könnte zum Bremsklotz werden

Auf die lange Bank geschoben? - von Jürgen Dick


(Bruchköbel/jgd) – „Die Befragungsergebnisse werden helfen, die Stadtentwicklung auf eine breite Basis zu stellen, die kurz-, mittel- und auch langfristig zu einer gemeinsam getragenen, schrittweisen Umsetzung zum Wohle unserer Stadt führt“ - so Bürgermeister Günter Maibach zur Bürgerbefragung, an der sich rund 10% der Bürger beteiligt hatten. Bald soll ein sogenannter „Dialogprozess“ mit Bürgern und Parteien beginnen, der aus nicht näher erläuterten Gründen 10-12 Monate zu dauern hat. Ziel sei, „gemeinsam“ eine „umfassende Innenstadtplanung“ zu erarbeiten. Zufällig passt die Dauer des „Dialogprozesses“ recht genau auf den Zeitraum bis zur Bürgermeisterwahl. Bis dahin sollen offenbar möglichst keine „schwierigen“ Themen mehr aufs Tablett kommen. Gewünscht sind vielmehr Erfolgsgeschichten wie die Einweihung der neuen Hauptstraße und der beiden Viaduktkreisel.

In der allgemeinen Freude darüber soll dann die im Herbst 2013 anstehende Bürgermeister-Wiederwahl gelingen. Politisch ist das durchaus realistisch gedacht, und so sieht denn auch die 2013er Marschrichtung der grössten Partei im Parlament, der CDU, etwa so aus wie bis hierher skizziert. Da ist auch pässlich, dass die politischen Parteien im Rathaus eine Art Burgfrieden miteinander verabredet haben. Man scheint stramm gewillt, die unverbindliche Bürgerbefragung, an der sich beteiligen konnte wer wollte, wie eine verbindliche Abstimmung zu verstehen.-


Es sind allerdings Zweifel darüber angebracht, ob die Realitäten dem frohen Bild tatsächlich entsprechen, das sich die Parteien über ihren nun beginnenden gemeinsamen Innenstadtprozess zurecht malen. Die neue, schmucke Hauptstraße ist für die Bruchköbeler Kunden nämlich nicht nur ein Weg in die Stadt hinein. Man kommt auf ihr, über die bequemen Kreisel hinweg, nun auch viel leichter als früher aus der Stadt heraus. Die jüngst erfolgte Eröffnung des „kleinen Zentrums“ am Tegut-Markt könnte eine Initialzündung gewesen sein – nämlich dafür, dass dort draußen nicht nur mit Discount-Märkten, sondern auch mit kleinerem Einzelhandel etwas möglich ist. Inzwischen kann man dort in die Apotheke gehen, ins Blumengeschäft, auch das erste freistehende Bäckergeschäft hat sich angesiedelt, daneben ein Jeansladen. Geschäfte also, die sich sonst typischerweise in der Innenstadt finden - wo kürzlich die erste Apotheke geschlossen hat. Es wird gemunkelt, dass bald eine zweite folgt. Man ahnt: Die Käuferfrequenz in der Innenstadt ist keine verlässliche Größe mehr. Nun herrscht das Prinzip Hoffnung auf die Wirkung der neuen, attraktiven Hauptstraße als wieder erwachende Lebensader. Aber ob das reicht?-

Man darf Zweifel hegen, ob der neue „Dialogprozess“ zur Innenstadterneuerung am Ende erfolgreicher ausgehen wird als der gerade in die Binsen gegangene Dialogprozess um die Neue Mitte. Man könnte sogar behaupten, dass sich die Politik letztlich aus der Verantwortung stiehlt, indem das Treffen notwendiger Entscheidungen durch einen „Dialogprozess“ ersetzt wird, der erneut zum Eldorado für viele Kräfte der Beharrung werden dürfte. Diese formulieren durchaus anerkennenswerte Begründungen: Viele Innenstadtbewohner wehren sich gegen noch mehr Verkehr. HGV und der Stadtmarketingverein sind im „Dialogprozess“ bislang Totalausfälle, vermutlich weil die Interessenlage dort auch nicht einheitlich aussieht. Neues Stadtzentrum ja, gerne, aber was ist, wenn dort eine Backstation, eine Fleischereikette einzieht?

Die SPD wiederum verteidigt das in die Jahre gekommene Neue Rathaus mit Zähnen und Klauen, denn die Mitte, so wie sie jetzt aussieht, ist ihr Jahrhundertwerk – entstanden in einer Zeit, in der eine damals noch dynamische SPD mutig das neue Zentrum durchgesetzt und damit eine jahrzehntelange Erfolgsgeschichte der Innenstadt begründet hatte.

Unter inzwischen veränderten Vorzeichen wäre solcher Gründergeist auch heute wieder nötig. Das würde eine Verwaltungsspitze erfordern, die sich auf Stärken pragmatischen Denkens rückbesinnt und sich statt kuscheliger „Gemeinsamkeit“ lieber verlässliche Mehrheiten besorgt, ihre Kernaufgaben wahrnimmt und ihren Handlungsspielraum nutzt: Etwa beim Erstellen eines Einzelhandelskonzeptes, der Anpassung von Bebauungsplänen, vielleicht sogar einer Veränderungssperre im Galgengarten, falls noch möglich. Dann eine zügige Neuplanung des Rathausareals, die ja von 60% der Befragten befürwortet wurde. Planung ist aber nicht die Angelegenheit von Bürgern und Politikern, sondern von Fachleuten, die das können und dafür bezahlt werden. Gelungene Beispiele in der Innenstadt, die so, ohne viel Aufregung, entstanden sind, gibt es deren übrigens einige: Rathauspassage, Altstadtcenter, Galeria - allesamt sind dies Objekte, die jeden Tag wie selbstverständlich zu der Innenstadtbelebung beitragen, welche Bruchköbeler Politiker ab nun in einem womöglich jahrelangen „Dialogprozess“ neu erfinden wollen.

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