Ein aufregendes politisches Jahr
Der Reiz des freien Spiels der Kräfte
Von Jürgen Dick
Bruchköbel – Die Bruchköbeler Politik hat ein spannendes Jahr fast hinter sich gebracht, wie man es in dieser Qualität rund 30 Jahre lang nicht mehr hat erleben dürfen.
Die lange Zeit der CDU-Vorherrschaft im Bruchköbeler Stadtparlament hatte sich mit der Amtsperiode des CDU-Bürgermeisters Michael Roth ihrem Ende zugeneigt. In der „Wir-sind-Bruchköbel“-Partei war vor drei Jahren ein Generationenstreit ausgebrochen, den nicht mehr einzudämmen war. Konsterniert hatten viele traditionell auf die Partei der bürgerlichen Mitte fixierte Bruchköbeler Wahlbürger die öffentliche Selbstzerfleischung „ihrer“ ruhmreichen CDU miterleben müssen. Was damals als Zwist um die Besetzung eines Stadtratspostens begonnen hatte, entwickelte sich im März zum politischen Schisma, zur Spaltung der gesamten CDU-Stadtverordnetenfraktion mit der Neugründung des Bürgerbundes BBB. Seither gibt es zwei politische Angebote in Bruchköbel, die ausdrücklich das Signum „christlich“ in Anspruch nehmen.
Das Stadtparlament, jahrelang durch die absolute CDU-Mehrheit dominiert, seit 2006 nur noch durch die Mehrheit einer CDU/Grüne-Kooperation, ist durch die BBB-Gründung in eine 5-Parteien-Landschaft verwandelt worden, in der wechselnde Mehrheiten möglich sind. Das Ringen um die besten Lösungen scheint nun dem freien Spiel der politischen Kräfte überlassen. Es gibt keinen roten Faden der Politik mehr, denn jeder neue Antrag, jede neue Idee muss durch das Joch der offenen Debatte im Parlament hindurch und so die Tauglichkeit erweisen, ohne dass eine Erbhof-Partei mit absoluter Mehrheit ihre Macht geltend machen und Anträge anderer Fraktionen ausbremsen könnte.
Dem Bürger kann diese Situation recht sein: Auf dem Marktplatz der Ideen wird der beste Kompromiss ausgefochten. Und so was Besonderes sind die Bruchköbeler Verhältnisse schliesslich auch wieder nicht: Parlamente ohne absolute Mehrheit einer einzelnen Partei sind üblich geworden, schon ein Blick in den Bundestag zeigt dies.
Auf einem anderen Blatt steht aber, ob der ideale Markt der Meinungen tatsächlich so liberal funktioniert wie es die Wunschvorstellung besagt. Natürlich war das erstmalige Auftauchen einer „freien“ Konkurrenz wie des BBB eine Provokation für die anderen Parteien, bedrohlich greifbar geworden durch die Wanderungsbewegungen aus CDU und SPD hin zum BBB. Es dauerte dann auch nicht lange, und der BBB beklagte seine Ausgrenzung. Die anderen Parteien wiederum weisen berechtigt darauf hin, dass der BBB als politische Gruppierung noch keine Legitimation durch den Wähler erhalten habe.
Das besondere Konkurrenzverhältnis CDU/BBB tut sein Übriges, führt immer wieder zu Nickeligkeiten, in die sich sogar zuletzt Bürgermeister Maibach einmischte. Denn man scheint es sich beim BBB zur Aufgabe gemacht zu haben, das Wirken des Bürgermeisters (zur Erinnerung: er hatte die Wahl gegen den seinerzeitigen CDU-Kandidaten und heutiges BBB-Mitglied Michael Roth gewonnen) unter besonderer Beobachtung zu halten. Dies belastet das Verhältnis zu einer CDU andauernd weiter, die nun einmal in Treue zu ihrem neuen Bürgermeister steht und ihren neu gewonnen Zusammenhalt beteuert.
Die verlorene Bürgermeisterwahl, die Abspaltung des BBB scheinen bei CDU/BBB wechselseitig als erlebte Demütigungen fortzuwirken, und es vermag heute niemand zu sagen, wann und wie ein Weg zurück zu unbefangener Kollegialität möglich sein soll zwischen zwei Parlamentsfraktionen, deren Programme doch eigentlich sehr ähnliche Aussagen treffen – die also wie geschaffen wären für eine Kooperation.
Das Miteinander aller Fraktionen im Parlament ist indes farbiger geworden, die Fraktionen überschlugen sich in den letzten Monaten mit phantasievollen, oft (und das ist neu:) mit Zustimmung bedachten Anträgen. Auch Anträge kleinerer Parteien (FDP, Grüne) werden nicht einfach abgeschmettert, und an dieser Stelle wirkt sich wohl die neue Zusammenarbeit der Fraktionen mit dem Bürgermeister aus.
Aus dem gewähnten exclusiven Club der Fraktions-Chefs mit dem Bürgermeister wiederum fühlt sich, wie oben bereits erwähnt, der BBB ausgeschlossen. Man beobachtete z.B. argwöhnisch, dass sogar eine kleine Partei wie die FDP einen Ausschuss-Vertreterposten einnehmen dürfe. Auch die Tatsache, dass Perry von Wittich (SPD) einen Ausschussvorsitz übernahm, sieht man dort als Zeichen von „Verabredungen“ an, die aus Sicht des BBB den Gedanken nahelegen, dass bereits eine große Koalition an der Arbeit sei, die nur so tue, als handele es sich im Parlament um das Zusammenspiel freier Kräfte mit wechselnden Mehrheiten. Diese Debatte aber erscheint hypothetisch, denn gleich unter welchen Mehrheitsverhältnissen gibt es eine irgend geartete vor- bzw. nachparlamentarische Feinjustierung mit der Verwaltungsspitze immer.
Erstaunen übrigens weckt die Fussnote, dass es im Bruchköbeler Parteiengeflecht immer noch die „kleine Koalition“ zwischen CDU/Grüne gibt. Die hat so lange ihren Sinn gemacht, wie CDU/Grüne zusammen eine absolute Mehrheit bilden konnten, was aber seit der BBB-Gründung passé ist. Dieses weiterhin bestehende öko-konservative Miteinander kann man gegenwärtig nur als Ansage auf eine neuerliche Mehrheitsbildung zur Kommunalwahl in zwei Jahren deuten. Die CDU, sich ihrer gegenwärtigen Schwäche bewusst und also realistisch eingestellt, denkt anscheinend an dieser Stelle strategisch. Und die Grünen auch. Gut möglich also, dass sich die allseitige Parteienharmonie mit dem Heraufdämmern der Wahlkampfzeit verflüchtigen wird, wenn nämlich die anderen Parteien diesen Braten zu riechen beginnen.
Aber bis dahin ist noch Zeit. Zuvor darf der Bürger gespannt sein auf die erste, eigentliche Bewährungsprobe des Parlamentes in der jetzigen Zusammensetzung: die Verabschiedung des Haushaltes 2009 und insbesondere die Bekämpfung einer drohenden satten Neuverschuldung. Willkommen in der Realität.
(ARCHIV / veröff. im „Bruchköbeler Kurier“ v. 18.12.08)
Von Jürgen Dick
Bruchköbel – Die Bruchköbeler Politik hat ein spannendes Jahr fast hinter sich gebracht, wie man es in dieser Qualität rund 30 Jahre lang nicht mehr hat erleben dürfen.
Die lange Zeit der CDU-Vorherrschaft im Bruchköbeler Stadtparlament hatte sich mit der Amtsperiode des CDU-Bürgermeisters Michael Roth ihrem Ende zugeneigt. In der „Wir-sind-Bruchköbel“-Partei war vor drei Jahren ein Generationenstreit ausgebrochen, den nicht mehr einzudämmen war. Konsterniert hatten viele traditionell auf die Partei der bürgerlichen Mitte fixierte Bruchköbeler Wahlbürger die öffentliche Selbstzerfleischung „ihrer“ ruhmreichen CDU miterleben müssen. Was damals als Zwist um die Besetzung eines Stadtratspostens begonnen hatte, entwickelte sich im März zum politischen Schisma, zur Spaltung der gesamten CDU-Stadtverordnetenfraktion mit der Neugründung des Bürgerbundes BBB. Seither gibt es zwei politische Angebote in Bruchköbel, die ausdrücklich das Signum „christlich“ in Anspruch nehmen.
Das Stadtparlament, jahrelang durch die absolute CDU-Mehrheit dominiert, seit 2006 nur noch durch die Mehrheit einer CDU/Grüne-Kooperation, ist durch die BBB-Gründung in eine 5-Parteien-Landschaft verwandelt worden, in der wechselnde Mehrheiten möglich sind. Das Ringen um die besten Lösungen scheint nun dem freien Spiel der politischen Kräfte überlassen. Es gibt keinen roten Faden der Politik mehr, denn jeder neue Antrag, jede neue Idee muss durch das Joch der offenen Debatte im Parlament hindurch und so die Tauglichkeit erweisen, ohne dass eine Erbhof-Partei mit absoluter Mehrheit ihre Macht geltend machen und Anträge anderer Fraktionen ausbremsen könnte.
Dem Bürger kann diese Situation recht sein: Auf dem Marktplatz der Ideen wird der beste Kompromiss ausgefochten. Und so was Besonderes sind die Bruchköbeler Verhältnisse schliesslich auch wieder nicht: Parlamente ohne absolute Mehrheit einer einzelnen Partei sind üblich geworden, schon ein Blick in den Bundestag zeigt dies.
Auf einem anderen Blatt steht aber, ob der ideale Markt der Meinungen tatsächlich so liberal funktioniert wie es die Wunschvorstellung besagt. Natürlich war das erstmalige Auftauchen einer „freien“ Konkurrenz wie des BBB eine Provokation für die anderen Parteien, bedrohlich greifbar geworden durch die Wanderungsbewegungen aus CDU und SPD hin zum BBB. Es dauerte dann auch nicht lange, und der BBB beklagte seine Ausgrenzung. Die anderen Parteien wiederum weisen berechtigt darauf hin, dass der BBB als politische Gruppierung noch keine Legitimation durch den Wähler erhalten habe.
Das besondere Konkurrenzverhältnis CDU/BBB tut sein Übriges, führt immer wieder zu Nickeligkeiten, in die sich sogar zuletzt Bürgermeister Maibach einmischte. Denn man scheint es sich beim BBB zur Aufgabe gemacht zu haben, das Wirken des Bürgermeisters (zur Erinnerung: er hatte die Wahl gegen den seinerzeitigen CDU-Kandidaten und heutiges BBB-Mitglied Michael Roth gewonnen) unter besonderer Beobachtung zu halten. Dies belastet das Verhältnis zu einer CDU andauernd weiter, die nun einmal in Treue zu ihrem neuen Bürgermeister steht und ihren neu gewonnen Zusammenhalt beteuert.
Die verlorene Bürgermeisterwahl, die Abspaltung des BBB scheinen bei CDU/BBB wechselseitig als erlebte Demütigungen fortzuwirken, und es vermag heute niemand zu sagen, wann und wie ein Weg zurück zu unbefangener Kollegialität möglich sein soll zwischen zwei Parlamentsfraktionen, deren Programme doch eigentlich sehr ähnliche Aussagen treffen – die also wie geschaffen wären für eine Kooperation.
Das Miteinander aller Fraktionen im Parlament ist indes farbiger geworden, die Fraktionen überschlugen sich in den letzten Monaten mit phantasievollen, oft (und das ist neu:) mit Zustimmung bedachten Anträgen. Auch Anträge kleinerer Parteien (FDP, Grüne) werden nicht einfach abgeschmettert, und an dieser Stelle wirkt sich wohl die neue Zusammenarbeit der Fraktionen mit dem Bürgermeister aus.
Aus dem gewähnten exclusiven Club der Fraktions-Chefs mit dem Bürgermeister wiederum fühlt sich, wie oben bereits erwähnt, der BBB ausgeschlossen. Man beobachtete z.B. argwöhnisch, dass sogar eine kleine Partei wie die FDP einen Ausschuss-Vertreterposten einnehmen dürfe. Auch die Tatsache, dass Perry von Wittich (SPD) einen Ausschussvorsitz übernahm, sieht man dort als Zeichen von „Verabredungen“ an, die aus Sicht des BBB den Gedanken nahelegen, dass bereits eine große Koalition an der Arbeit sei, die nur so tue, als handele es sich im Parlament um das Zusammenspiel freier Kräfte mit wechselnden Mehrheiten. Diese Debatte aber erscheint hypothetisch, denn gleich unter welchen Mehrheitsverhältnissen gibt es eine irgend geartete vor- bzw. nachparlamentarische Feinjustierung mit der Verwaltungsspitze immer.
Erstaunen übrigens weckt die Fussnote, dass es im Bruchköbeler Parteiengeflecht immer noch die „kleine Koalition“ zwischen CDU/Grüne gibt. Die hat so lange ihren Sinn gemacht, wie CDU/Grüne zusammen eine absolute Mehrheit bilden konnten, was aber seit der BBB-Gründung passé ist. Dieses weiterhin bestehende öko-konservative Miteinander kann man gegenwärtig nur als Ansage auf eine neuerliche Mehrheitsbildung zur Kommunalwahl in zwei Jahren deuten. Die CDU, sich ihrer gegenwärtigen Schwäche bewusst und also realistisch eingestellt, denkt anscheinend an dieser Stelle strategisch. Und die Grünen auch. Gut möglich also, dass sich die allseitige Parteienharmonie mit dem Heraufdämmern der Wahlkampfzeit verflüchtigen wird, wenn nämlich die anderen Parteien diesen Braten zu riechen beginnen.
Aber bis dahin ist noch Zeit. Zuvor darf der Bürger gespannt sein auf die erste, eigentliche Bewährungsprobe des Parlamentes in der jetzigen Zusammensetzung: die Verabschiedung des Haushaltes 2009 und insbesondere die Bekämpfung einer drohenden satten Neuverschuldung. Willkommen in der Realität.
(ARCHIV / veröff. im „Bruchköbeler Kurier“ v. 18.12.08)
kewelforever - 2009/01/11 20:19