Auseinandersetzung um Sendemasten schwelt weiter
Bruchköbel; 5. Januar 2004. – Das politische Jahr 2003 endete in Bruchköbel mit der Verabschiedung eines knapp kalkulierten Haushaltes, und der Blick richtet sich nun auf ein eben angebrochenes Jahr 2004, von dem sich alle Seiten eine Besserung der finanziellen Verhältnisse, der Wirtschaft, der städtischen Einnahmen erhoffen. Vor diesem Hintergrund fällt die offene Konfrontation aus dem Rahmen, die sich in den letzten Monaten zwischen der Initiative für mobilfunksenderfreie Wohngebiete und dem Bruchköbeler Magistrat entwickelt hat.
Nachdem, nicht zuletzt durch das engagierte Wirken der Initiative, der Vertrag für den Betrieb des mit mehreren Sendern bestückten Mobilfunk-Sendemastes am Sportplatz zum Ende 2004 gekündigt worden war, und zwar per Mehrheitsbeschluss im Stadtparlament, scheint es nun eine Trendwende zu geben. Die Initiative verdächtigt den Magistrat, dass dieser bei der Planung alternativer, wohngebietsferner Standorte untätig sei. Deshalb wolle der Magistrat diese Kündigung wohl am liebsten rückgängig machen, so die Initiative in Stellungnahmen der jüngsten Zeit. Letztere Option räumte Bürgermeister Roth im Gespräch mit dem BK in der Tat ein, weil die Befürchtung bestehe, dass die Betreiber sonst Sendeanlagen in Wohngebiete hinein aufstellen könnten, und dies bei nur begrenzter Einflussmöglichkeit der Stadt.
Der derzeit ohnehin dünne Gesprächsfaden zwischen beiden Seiten wird zusätzlich dadurch strapaziert, dass jede Seite gewillt scheint, noch den kleinsten verbalen Danebentapser der anderen Seite persönlich zu nehmen. Während man auf der Seite der Initiative die mit dem Thema befassten Bruchköbeler Offiziellen verdächtigt, den Mobilfunkbetreibern nach dem Mund zu reden, ist man auf Magistratsseite pikiert über ebendiese Unterstellungen. Folglich sind in jüngster Zeit, in wechselseitigem Leserbrief-Schlagabtausch, die harten Bandagen an der Tagesordnung gewesen. Auf der einen Seite stehen Bruchköbeler Bürger, die sich durch einen wohngebietsnahen Sendemast „zwangsbestrahlt“ fühlen, gesundheitliche Gefährdung befürchten, gar –ohne Nachweis- von bereits ansteigenden Krankheitszahlen reden, und nicht zuletzt drohende Wertverluste ihrer Grundstücke reklamieren. Hier herrscht offenkundig Angst. Auf der anderen Seite fühlt sich Bürgermeister Roth dem Interesse der gesamten Bruchköbeler Bevölkerung verpflichtet, die nun mal in ihrer Mehrheit mobil telefonieren will, weswegen für ihn eine Situation mit einem Versorgungsdefizit infolge einer abgeschalteten Sendeanlage nicht in Frage komme.
Beide Seiten argumentieren mit Studien und Argumenten, die aus völlig verschiedenen Welten zu entstammen scheinen. Ein Studienergebnis mit einer wissenschaftlich begründeten Risikobewertung, welches die Anerkennung beider Seiten genießt, scheint es schlicht nicht zu geben. So erkennen beispielsweise Senderstandortskritiker die Empfehlungen der Strahlenschutzkommission, welche das von einem grünen Minister geführte Bundesministerium für Umwelt berät, nicht an. Sie präsentieren hiergegen beispielsweise weitergehende Empfehlungen der Ärztekammer usw. Von Seiten der Stadt wird dagegen eher pragmatisch argumentiert: man müsse sich eben an Verordnungen und Gestaltungsmöglichkeiten halten, wie sie den Kommunen zugestanden seien. Mit Blick auf die Minimierung eines ohnehin als gering angesehenen Risikos will man letztlich allgemein akzeptable Standorte herausfinden. Mit diesem Ziel hat nun der erste Stadtrat beim Gutachter-Institut „Ecolog“ aus Hannover um Beistand angefragt. Das wäre eigentlich ein Schritt auf die Initiative zu, die ja seit langem ein funktechnisches Gutachten fordert. „Ecolog“ plädiert auf seiner Website eher für Vorsicht und niedrigere Grenzwerte und verweist auf seine Zusammenarbeit mit Städten und Gemeinden, zum Beispiel mit der Stadt Maintal. Allerdings äusserte die Kritikerseite bereits ihre Zweifel an der Befähigung von „Ecolog“. Man würde lieber ein anderes Planungsbüro am Werk sehen.
Der Konflikt um die Mobilfunk-Strahlung erinnert an die Auseinandersetzung um die Kernenergie in den 70er und 80er Jahren. Dies jedoch nur vordergründig. Seinerzeit war das vermutete Übel an insgesamt nur wenigen Orten der Republik zu besichtigen, und um die Atommeiler gab es damals eine Demonstration nach der anderen. Beim Thema Mobilfunk befindet sich der Quell des Unbehagens aber mitten unter uns, an beinahe zahllosen Orten. Überall im Auenland, sogar noch in manchen Kirchtürmen, erhoben sich nämlich innerhalb nur weniger Jahre die Sendestationen, von denen unsere Kids mit ihren Handys abhängig sind. Ja, geradezu jeder moderne Mensch trägt heute ein teures Mobiltelefon und damit eine Strahlungsquelle mit sich herum. Es könnte sich bei der Aversion gegen die Sendestationen also in Teilen auch um ein neuerwachtes, generelles Unbehagen in unserer Kultur handeln.
In einer schneller gewordenen Welt ist „Kommunikation“ nicht mehr das geblieben, was sie mal war: Leute bleiben plötzlich mitten auf dem Gehweg stehen und plappern scheinbar unvermittelt ins Leere bzw in ihr Headset, SMS-süchtige Kinder und Jugendliche vertippen ihre letzten Groschen oder gleich das Geld vom Papi, und bald soll mittels UMTS-Technik auch noch das allgegenwärtige Internet auf jedem Handy-Display erscheinen (und just zu diesem Zweck eine noch größere Anzahl von Sendemasten entstehen). Geht also mit dem Protest wider die Strahlenbelastung auch ein Unbehagen gegenüber der allgemeinen Beschleunigung einher, welche die neuen Kommunikationstechniken mit sich bringen? Doch auch wenn jedes Kaufhausflugblatt unter der Überschrift „Kommunikation“ irrigerweise die Bilder von Mobiltelefonen abbildet, so handelt es sich doch bloß um TECHNIKEN. Die KOMMUNIKATION müssen die Menschen immer noch selbst besorgen, und – um zum Thema des Konfliktes in Bruchköbel zurückzukehren – es bleibt zu hoffen, dass im Streit um die Technik und die Senderstandorte die Kommunikation zwischen den Streitenden irgendwie doch wieder besser in Gang kommt. Dass die in Bruchköbel schon mal besser war, ist nicht zu bestreiten, denn sonst hätte es den Beschluss zum Sportplatz-Sendemast nie gegeben. Es sollten sich doch letztlich in einer Stadt wie Bruchköbel, wo man von jedweder Stelle aus nur fünf Minuten mit dem Rad fahren muss, um „außerhalb“ zu sein, ein paar geeignete Standorte für Sendestationen außerhalb der Wohngebiete finden lassen.
(Archiv - erschienen im "Bruchköbeler Kurier" vom 8.1.2004)
Nachdem, nicht zuletzt durch das engagierte Wirken der Initiative, der Vertrag für den Betrieb des mit mehreren Sendern bestückten Mobilfunk-Sendemastes am Sportplatz zum Ende 2004 gekündigt worden war, und zwar per Mehrheitsbeschluss im Stadtparlament, scheint es nun eine Trendwende zu geben. Die Initiative verdächtigt den Magistrat, dass dieser bei der Planung alternativer, wohngebietsferner Standorte untätig sei. Deshalb wolle der Magistrat diese Kündigung wohl am liebsten rückgängig machen, so die Initiative in Stellungnahmen der jüngsten Zeit. Letztere Option räumte Bürgermeister Roth im Gespräch mit dem BK in der Tat ein, weil die Befürchtung bestehe, dass die Betreiber sonst Sendeanlagen in Wohngebiete hinein aufstellen könnten, und dies bei nur begrenzter Einflussmöglichkeit der Stadt.
Der derzeit ohnehin dünne Gesprächsfaden zwischen beiden Seiten wird zusätzlich dadurch strapaziert, dass jede Seite gewillt scheint, noch den kleinsten verbalen Danebentapser der anderen Seite persönlich zu nehmen. Während man auf der Seite der Initiative die mit dem Thema befassten Bruchköbeler Offiziellen verdächtigt, den Mobilfunkbetreibern nach dem Mund zu reden, ist man auf Magistratsseite pikiert über ebendiese Unterstellungen. Folglich sind in jüngster Zeit, in wechselseitigem Leserbrief-Schlagabtausch, die harten Bandagen an der Tagesordnung gewesen. Auf der einen Seite stehen Bruchköbeler Bürger, die sich durch einen wohngebietsnahen Sendemast „zwangsbestrahlt“ fühlen, gesundheitliche Gefährdung befürchten, gar –ohne Nachweis- von bereits ansteigenden Krankheitszahlen reden, und nicht zuletzt drohende Wertverluste ihrer Grundstücke reklamieren. Hier herrscht offenkundig Angst. Auf der anderen Seite fühlt sich Bürgermeister Roth dem Interesse der gesamten Bruchköbeler Bevölkerung verpflichtet, die nun mal in ihrer Mehrheit mobil telefonieren will, weswegen für ihn eine Situation mit einem Versorgungsdefizit infolge einer abgeschalteten Sendeanlage nicht in Frage komme.
Beide Seiten argumentieren mit Studien und Argumenten, die aus völlig verschiedenen Welten zu entstammen scheinen. Ein Studienergebnis mit einer wissenschaftlich begründeten Risikobewertung, welches die Anerkennung beider Seiten genießt, scheint es schlicht nicht zu geben. So erkennen beispielsweise Senderstandortskritiker die Empfehlungen der Strahlenschutzkommission, welche das von einem grünen Minister geführte Bundesministerium für Umwelt berät, nicht an. Sie präsentieren hiergegen beispielsweise weitergehende Empfehlungen der Ärztekammer usw. Von Seiten der Stadt wird dagegen eher pragmatisch argumentiert: man müsse sich eben an Verordnungen und Gestaltungsmöglichkeiten halten, wie sie den Kommunen zugestanden seien. Mit Blick auf die Minimierung eines ohnehin als gering angesehenen Risikos will man letztlich allgemein akzeptable Standorte herausfinden. Mit diesem Ziel hat nun der erste Stadtrat beim Gutachter-Institut „Ecolog“ aus Hannover um Beistand angefragt. Das wäre eigentlich ein Schritt auf die Initiative zu, die ja seit langem ein funktechnisches Gutachten fordert. „Ecolog“ plädiert auf seiner Website eher für Vorsicht und niedrigere Grenzwerte und verweist auf seine Zusammenarbeit mit Städten und Gemeinden, zum Beispiel mit der Stadt Maintal. Allerdings äusserte die Kritikerseite bereits ihre Zweifel an der Befähigung von „Ecolog“. Man würde lieber ein anderes Planungsbüro am Werk sehen.
Der Konflikt um die Mobilfunk-Strahlung erinnert an die Auseinandersetzung um die Kernenergie in den 70er und 80er Jahren. Dies jedoch nur vordergründig. Seinerzeit war das vermutete Übel an insgesamt nur wenigen Orten der Republik zu besichtigen, und um die Atommeiler gab es damals eine Demonstration nach der anderen. Beim Thema Mobilfunk befindet sich der Quell des Unbehagens aber mitten unter uns, an beinahe zahllosen Orten. Überall im Auenland, sogar noch in manchen Kirchtürmen, erhoben sich nämlich innerhalb nur weniger Jahre die Sendestationen, von denen unsere Kids mit ihren Handys abhängig sind. Ja, geradezu jeder moderne Mensch trägt heute ein teures Mobiltelefon und damit eine Strahlungsquelle mit sich herum. Es könnte sich bei der Aversion gegen die Sendestationen also in Teilen auch um ein neuerwachtes, generelles Unbehagen in unserer Kultur handeln.
In einer schneller gewordenen Welt ist „Kommunikation“ nicht mehr das geblieben, was sie mal war: Leute bleiben plötzlich mitten auf dem Gehweg stehen und plappern scheinbar unvermittelt ins Leere bzw in ihr Headset, SMS-süchtige Kinder und Jugendliche vertippen ihre letzten Groschen oder gleich das Geld vom Papi, und bald soll mittels UMTS-Technik auch noch das allgegenwärtige Internet auf jedem Handy-Display erscheinen (und just zu diesem Zweck eine noch größere Anzahl von Sendemasten entstehen). Geht also mit dem Protest wider die Strahlenbelastung auch ein Unbehagen gegenüber der allgemeinen Beschleunigung einher, welche die neuen Kommunikationstechniken mit sich bringen? Doch auch wenn jedes Kaufhausflugblatt unter der Überschrift „Kommunikation“ irrigerweise die Bilder von Mobiltelefonen abbildet, so handelt es sich doch bloß um TECHNIKEN. Die KOMMUNIKATION müssen die Menschen immer noch selbst besorgen, und – um zum Thema des Konfliktes in Bruchköbel zurückzukehren – es bleibt zu hoffen, dass im Streit um die Technik und die Senderstandorte die Kommunikation zwischen den Streitenden irgendwie doch wieder besser in Gang kommt. Dass die in Bruchköbel schon mal besser war, ist nicht zu bestreiten, denn sonst hätte es den Beschluss zum Sportplatz-Sendemast nie gegeben. Es sollten sich doch letztlich in einer Stadt wie Bruchköbel, wo man von jedweder Stelle aus nur fünf Minuten mit dem Rad fahren muss, um „außerhalb“ zu sein, ein paar geeignete Standorte für Sendestationen außerhalb der Wohngebiete finden lassen.
(Archiv - erschienen im "Bruchköbeler Kurier" vom 8.1.2004)
kewelforever - 2004/01/08 20:01