19
Feb
2004

Sender in Jakobuskirche darf bleiben

BGH-Urteil zu Mobilfunk ernüchtert Initiative / Kommt eine FWG?

Bruchköbel, 18.2.2004. – Am vergangenen Wochenende kam Bruchköbel bundesweit in die Schlagzeilen, als der Bundesgerichtshof über eine Klage bezüglich des Mobilfunksenders in der Jakobuskirche zu entscheiden hatte. Die Klage war von Bürgern eingereicht worden, die in der Nähe des Jakobuskirchturms wohnen bzw. arbeiten. Sie richtete sich gegen die evangelische Kirchengemeinde und gegen die Mobilfunk-Firma O2 und ist nun vom Bundesgerichtshof zurückgewiesen worden. Die Kläger hatten die Abschaltung der Sendeanlage im Kirchturm erzwingen wollen, weil die Leistung des Senders die in der Nähe lebenden Bewohner dem Dauereinfluss von Strahlung aussetze. Dadurch werde das Krebsrisiko erhöht, und es seien gesundheitliche Schädigungen wie zum Beispiel Gehörbeeinträchtigungen und Kopfschmerzen möglich. Die Grenzwerte, welche von der Bundesimmissionsschutzverordnung vorgeschrieben werden, seien zu hoch angesetzt, so hatten die Bruchköbeler Kläger argumentiert. Die bestehenden gesetzlichen Grenzwerte würden lediglich die Wärmewirkung der Strahlung berücksichtigen, es gebe jedoch auch andere physikalische Einwirkungen auf Organismen. Sie hatten versucht, dies mit Hinweisen auf neuere Erkenntnisse anerkannter Wissenschaftler zu untermauern.

Das Gericht wollte jedoch von der Orientierung an den Grenzwertregelungen nicht abweichen. Das Gesetz, so die Richter, auferlege den Bürgern die Duldung einer solchen Anlage, wenn die durch die Anlage bewirkten Immissionen keine oder nur unwesentliche Beeinträchtigungen zur Folge hätten. Sind die Grenzwerte eingehalten, dann bestehe eine „Indizwirkung zugunsten einer nur unwesentlichen Beeinträchtigung“. Das Gericht vertrat die Ansicht, dass wissenschaftliche Untersuchungen bislang noch keinen eindeutigen gegenteiligen Hinweis auf eine Gefährdung erbracht hätten.

Das Gericht bestritt den Klägern nicht, dass durch Mobilfunksenderstrahlung Einflüsse auf die Umgebung und auf Menschen stattfinden, die auch physikalisch nachweisbar sind. Jedoch fehle bislang der eindeutige wissenschaftliche Nachweis dafür, dass dies auch gravierende Folgen bei Menschen bewirkt. Das Urteil zeigt somit: Wenn ein Betreiber staatlicherseits verordnete Grenzwerte einhält und dies nachweisen kann, dann bleibt nach der Meinung des Bundesgerichtshofes eine Klage, die auf die Abschaltung einer Sendeanlage abzielt, chancenlos.

Natürlich ist „Beeinträchtigung“ ein dehnbarer Begriff. Schon wenn eine Sendeanlage nur kraft ihrer Existenz bei den umliegenden Bewohnern Angst oder Nervosität auslöst, kann man genau genommen von „Beeinträchtigung“ sprechen. Theoretisch kann dann ein andauernder Angstzustand körperliche Folgen nach sich ziehen, die sich als Krankheit manifestieren mögen. Der Sendemast ist dann nicht der unmittelbare Krankheitsauslöser, und keine physikalische Messreihe wird ihn dann als direkten Verursacher dingfest machen können. Wer Sendeanlagen aus Wohngebieten heraushaben will, fordert von den Verantwortlichen jedoch grundsätzlich, dass präventiv gedacht werden müsse. Wenn sich zum Beispiel erst in einigen Jahren wissenschaftlich zweifelsfrei herausstelle, dass Sendeanlagen zu einer Krebshäufigkeit geführt haben, dann sei das Kind schon im Brunnen, so die Sender-Kritiker. Nach dieser Denkart müssen die Anlagenbetreiber, im Sinne einer Beweislastumkehr, die Unschädlichkeit ihrer Sendemasten nachweisen, und nicht die Nachbarn.

Die Reaktion der Bruchköbeler Bürgerinitiative fiel angesichts der Klageabweisung enttäuscht aus. Die Gerichtsbarkeit als „dritte Gewalt“ nehme nicht ihre Verantwortung wahr, wenn wissenschaftliche Untersuchungsergebnisse schlicht nicht zur Kenntnis genommen worden seien, und wenn man sich stattdessen auf zwei Jahre alte Immissionsschutzregeln berufe. Man habe solche Nachweise, die von namhaften Wissenschaftlern stammen, vorgelegt. Die Initiative will nun ihre politische Arbeit in Bruchköbel verstärken. Im Zentrum steht dabei die Forderung nach einer „funktechnisch optimierten Bauleitplanung“ für das gesamte Stadtgebiet. Am 4. März wird man im Bürgerhaus eine Podiumsveranstaltung abhalten, zu der Kapazitäten aus verschiedenen Bereichen eingeladen worden sind.

Mittlerweile gibt es auch Hinweise auf eine weitere Option der Initiative, die für Spekulationen Raum bietet. Dabei handelt es sich um die Möglichkeit, mit einer Freien Wählergemeinschaft den Sprung in das Stadtparlament zu versuchen. Aus den Reihen der Initiativmitglieder soll dies sogar schon vermittels eines Schreibens an den Magistrat in Aussicht gestellt worden sein. Knackpunkt ist die weitere Entwicklung um den Sendemast am Sportplatz. Als „Gegenmaßnahmen“ gegen einen Weiterbetrieb des Mastes werden ein Bürgerentscheid und die Gründung einer Freien Wählergemeinschaft angekündigt, wobei sogar der Hinweis auf kommunalpolitisch erfahrene Mitstreiter nicht fehlt. Das lässt darauf schliessen, dass Rekrutierungsmaßnahmen unter ehemaligen Parlaments- und Parteimitgliedern aus der stadtpolitischen Prominenz im Gange sind.

(Archiv - erschienen im "Bruchköbeler Kurier" vom 19.2.2004)

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