10
Mai
2012

Nachdenken über die Zukunft

Optionen für die CDU / Facebook-Bürger ante portas
Von Jürgen Dick

Bruchköbel - Das Bruchköbeler CDU-Schiff treibt weiter in schweren Gewässern. Nach den wiederholten „Maulwurf“-Affären, bei denen jedesmal in geheimen Wahlen CDU-Stimmen weggeblieben waren, haben sich nun zwei Parlamentarier, die sich in der CDU gemobbt fühlten, in einer neuen „Unabhängigen Fraktion“ formiert. Postwendend erließ jetzt die CDU-Kommandobrücke gegen Winfried Weiss (UFB) einen Antrag auf Parteiausschluss. Das ändert aber nichts mehr am Verlust der vor einem Jahr gewonnenen Mehrheit mit den Grünen. Man verfügt nur noch über 18 von 37 Stimmen. Auswirkungen der neuen Situation waren bereits bei der jüngsten Stadtverordnetenversammlung zu besichtigen.-

Die Tage des von der CDU gestützten Ersten Stadtrates Uwe Ringel (Grüne) könnten mit Ablauf des 30. September gezählt sein. Bis dahin nämlich soll es zur Neuwahl eines Kandidaten auf das Amt kommen. Möglich ist, dass Ringel sich wieder selbst bewirbt. Möglich ist auch, dass so schnell gar kein anderer passabler Kandidat auftaucht. So oder so wäre aber die Wiederwahl Ringels nicht sicher, denn eine CDU/Grüne-Mehrheit besteht nicht mehr. Die mögliche Perspektiven, die sich ergeben, wenn der Stadtratspostens nicht mehr mit Ringel, vielleicht auch für eine Zeitlang nur noch im Ehrenamt besetzt sein wird, regt jedenfalls nun die Phantasie der Parteistrategen an.

Wegen einer erhofften Unterstützung im Verfahren „Neue Mitte“, dem Kernthema von CDU/Grüne der nahen Zukunft, streckte man aus der CDU heraus offenbar bereits sanft ein paar Fühler zur FDP aus. Und glaubt man Hinweisen, dann soll es inzwischen gar ein Angebot aus der SPD zu sondierenden Gesprächen an die CDU geben. Die SPD, als Retter der CDU in der Not? Welche Strategie könnte die zweitgrösste Partei im Parlament verfolgen? Man darf hierüber z.B. so spekulieren: Ein großes Hindernis für eine Annäherung an die CDU bildete für die SPD ja bislang, dass die CDU mit den Grünen beisammen ist. Aus Sicht der SPD ist nämlich die seinerzeitige Vergabe des Stadtratspostens an die Grünen eine unverzeihliche Ungezogenheit gewesen. Man unterstellt den Grünen bis heute, dass diese damals eine bereits mit SPD und FDP verabredete Koalition hätten platzen lassen, nur um sich anschließend dafür von der CDU mit dem Posten des Stadtrates belohnen zu lassen. Wäre aber nun das Hindernis Ringel aus dem Weg, dann bestünde womöglich kein zwingender Grund mehr für eine enge Bindung der CDU an die Grünen, inclusive des ständigen Nervenkriegs, den eine Minderheitskoalition mit permanent erodierender Wirkung auf Partei und Fraktion erzeugt.

Ein naheliegender Ausweg könnte also darin bestehen, dass CDU und SPD eine Zusammenarbeit verabreden. Eine solche große Koalition könnte sogar das Abtauchen eines oder zweier weiterer CDU-Maulwürfe verkraften. Eine spannende Frage wäre dann, wie CDU und SPD beim Thema „Neue Mitte“ auf einen Nenner kommen könnten, dem Top-Thema der nächsten Zeit. Bekanntlich will die CDU ein Investorenmodell, während die SPD den Verkauf städtischer Grundstücke vermeiden will. Zur Lösung solcher augenscheinlich unlösbarer Konflikte bietet sich in der Politik immer an, die Verantwortung für Vergangenes auf einen Dritten zu schieben, und gleichzeitig fleißig sympathische Vokabeln wie „Neuanfang“ und „mehr Bürgerbeteiligung“ in die Debatte hineinzustreuen. Letzteres dürfte wiederum ganz im Sinne der zahlreicher werdenden Facebook-Bürger sein, die sich inzwischen zunehmend in das Thema „Neue Mitte“ einmischen und am Wochenende zum ersten Mal in Fleisch und Blut beisammengesessen haben. Es bleibt also spannend in der Bruchköbeler Politik.

(Archivtext. Veröffentlicht im "Bruchköbeler Kurier" vom 10.5.2012)

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