23
Feb
2012

Ein Paukenschlag zur Fassenacht

Aufregung um die CDU-Dissidenten - Von Jürgen Dick

Bruchköbel – Der neuerliche Schiffbruch innerhalb der CDU-Fraktion kommt für das Bündnis CDU/Grüne zur Unzeit. Ist man doch gerade im Begriff, mit der „Neuen Mitte“ in die Zukunft zu starten. Mit dem Architekten des Projektes an der Spitze, dem grünen Ersten Stadtrat Uwe Ringel. Die Fortführung des Amtes unter dessen Federführung ist aber nun sehr fraglich geworden. Und jetzt traten bei der CDU auch noch zwei Fraktionsmitglieder aus.-

Die Querelen innerhalb der CDU wollen seit 2005 einfach kein Ende nehmen. Es scheint sich innerhalb dieser großen Bruchköbeler Partei ein bizarres Eigenleben entwickelt zu haben. Wären politische Flügelkämpfe die Ursache, dann bestünde wenigstens die Chance auf Klärung entlang politischer Sachfragen. Aber die CDU-internen Brandherde brechen unversehens auf, mal hier, mal da, und es scheint oftmals mehr um die Personen zu gehen denn um Politik. Die Führung der CDU agiert hilflos, und -was auf Dauer schwerer wiegen dürfte- sie reibt sich mit den eigenen Leuten auf, erzeugt ein Klima der Verdächtigungen. Bereits nach der schiefgegangenen Fliegerhorstwahl, bei der die Liste von CDU/Grün durchfiel, lenkte man den bis heute nicht bewiesenen Verdacht des heimlichen Abweichlertums auf den Ex-Vorsitzenden Gerhard Rehbein. Der gewiefte Parteistratege und Verwaltungsfachmann gab daraufhin entnervt sein Mandat zurück. Und nun wurde mit dem eigentlich ruhigen Hinterbänkler Winfried Weiß in ähnlicher Weise verfahren. Rehbein und Weiß wiederum gelten CDU-intern als Weggefährten – und auch als Kritiker des neuen Vorsitzenden Reiner Keim. Hier ist wohl ein Muster zu erkennen: beide haben ihren „Abschiedsbrief“ vom Vorsitzenden Keim persönlich erhalten. Weiß will nun, im Gegensatz zu Rehbein, weiter im Stadtparlament bleiben, ebenso wie seine bisherige Fraktionskollegin Carina Seewald. Deren Empörung scheint wiederum eher prinzipieller Natur zu sein – was für die CDU-Oberen umso mehr ein Grund zur Sorge sein sollte. Indes ist längst noch nicht klar, ob die beiden tatsächlich die Wahl-Abweichler gewesen sind. Weil nun beide ihre Sitze behalten, verlieren CDU und Grüne nun erst einmal ihre rechnerische Mehrheit: CDU (12), Grüne (6) – das sind 18 Stimmen des Bündnisses gegen 19 Stimmen von SPD (10), BBB (5), FDP (2) und der beiden CDU-Dissidenten. Eine automatische „Bank“ für die Opposition stellt dies dennoch nicht dar. Es wird wohl wieder eine Situation wechselnder Mehrheiten eintreten wird, wie sie Bruchköbel bis Anfang 2011 bereits drei Jahre er- und überlebt hat.-

Aus Richtung der CDU fehlt es an einer plausiblen öffentlichen Erklärung für die inneren Zustände. Stattdessen erlebten Einzelne peinliche Einzelbefragungen. Und wie inzwischen glaubwürdig erzählt wird, soll sogar die Forderung nach Abgabe einer schriftlichen Erklärung erwogen worden sein. Die Fraktionsmitglieder wegen ihres freien Wahlentscheids unter Druck „von oben“ zu setzen – so geht es eigentlich nur in Kaderparteien zu. Ob dies der richtige Umgang mit verunsicherten Parteikollegen ist, die ehrenamtlich und aus idealistischen Motiven heraus in der Politik mitmachen, ist dahingestellt. Leitende Funktionsträger, die glauben, sie könnten ihre plakatklebenden Mitglieder wie Angestellte, und ihre Partei wie die eigene Firma behandeln, wandeln auf schmalem Grat. Denn ein solcher Führungsstil hinterlässt Gedemütigte. Gute Führungskräfte aber wissen: Gedemütigte haben ein gutes Gedächtnis.-

Welche Auswirkungen werden die aktuellen Ereignisse wohl auf das weitere Fortleben des Bündnisses aus CDU und Grünen haben? Die Bruchköbeler Grünen, einstmals nicht nur als Umwelt-, sondern auch als Bürgerrechtspartei angetreten, nehmen die Situation bei ihrem politischen Partner äußerlich erstaunlich gelassen hin. Denn über allem steht für sie der politische Erfolg. Als sichtbaren Gradmesser für diesen Erfolg hat man bei den Grünen die Geschwindigkeit der städtischen Renovierungsarbeiten ausgedeutet. Neue Mitte, Bahnhof, Lohfeld, Hauptstraße, Radwegeangebotsstreifen und Schülerfußstapfen – es ist sicherlich reizvoll, solche auf Jahrzehnte sichtbaren Projekte ans eigene politische Revers heften zu können. Nicht Nibelungentreue ist es also, die die Grünen bei der CDU hält. Sondern es dürfte der Reiz des maximal möglichen Einflusses sein, den eine kleine Partei gegenüber einem großen Partner auszuüben vermag – einem Partner allerdings, welcher derzeit im Begriff scheint, die eigene politische Seele zu verlieren. Die derzeitige Periode lokaler grüner Politik dürfte sich wohl unauslöschlich in die grünen Parteiannalen eingravieren. Die grünen Veteranen werden dereinst noch ihren Enkeln von diesen abenteuerlichen Jahren zu erzählen wissen.

(Archivtext. Veröffentlicht im "Bruchköbeler Kurier" vom 23.2.2012)

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