Ärgernis im Cyberspace
Lokale Webseite sorgt für Unmut / von Jürgen Dick
Im Bruchköbeler Cyberspace findet seit einiger Zeit eine bizarre Konfrontation statt, die dem gewöhnlichen Zeitungsleser bislang weitgehend verborgen geblieben ist. Stein des Anstoßes ist die Internet-Webseite eines Bruchköbelers, welche unter der Adresse "www.bruchkoebler.de" hengstbissige Artikel zum Stadtgeschehen anbietet. Der Betreiber Martin R. führt dort einen als angebliches „Magazin“ aufgehübschten Weblog, ein im Internet geführtes, öffentliches Tagebuch. Weblogs haben sich in den letzten Jahren, neben den allseits bekannten Chats und Internetforen, als Trend in der Internetszene etabliert.
In R.s Kommentaren kommen örtliche Politiker wie übrigens auch der Bruchköbeler Kurier nicht gut weg. Die städtische Politik, der Bürgermeister und überhaupt alle möglichen Autoritäten werden regelmäßig spöttisch bis an die Schmerzgrenze durch den Kakao gezogen. Sein Inhalt und Stil hatten R. im vergangenen Jahr bereits innerhalb der Main-Kinzig-FWG den Vorwurf des Populismus eingebracht und zwischenzeitlich sogar zu einem Zerwürfnis innerhalb der Kreisspitze dieser Partei geführt.
Studiert man die für Internet-Verhältnisse recht ausschweifenden Beiträge auf der Webseite allerdings näher, dann begegnet dem Leser dort ein enges, im Grunde misanthropisches Weltbild. Dieses muss sich anscheinend immer wieder neu veranstalten - hier eben in der Gestalt einer schriftstellernden Brachial-Satire.
R.’s Recherchen beschränken sich in der Regel auf das mehr oder weniger genaue Studium der Ortspresse (Schwerpunkt natürlich: der Bruchköbeler Kurier, was diesen sicherlich auch irgendwie ehrt) - sowie auf das, was im Internet sonst so greifbar ist, wenn man dort den Suchbegriff „Bruchköbel“ eingibt. Und wie ja sogar ein blindes Huhn mitunter mal ein Reiskorn auffindet, so förderte auch R. in der jüngeren Vergangenheit schon mal die eine oder andere „Sensation“ zutage, wenn er etwa eine Textpassage auf der offiziellen städtischen Homepage als Kopie aus der Webseite eines Hamburger Unternehmens entlarvte, oder wenn einige Sätze aus der Neujahrsrede des CDU-Bürgermeisters als Textanleihen gebrandmarkt werden.
Bisweilen greifen die virtuellen Ereignisse aber dann doch ins reale Leben über. Dem Chefredakteur des „Bruchköbeler Kurier“, Eberhard H., ist jetzt der Kragen geplatzt. Der auf R.’s Webseite Bespöttelte griff in der letzten Ausgabe zum Mittel eines offenen Briefes, um seinerseits dem „Phantom“ hinter der seltsamen Webseite ein bisschen einzuschenken.
Und just in diesem Moment erinnert sich der Chronist an einen fast drei Jahre zurückliegenden Vorfall, welcher letztlich für die Gründung der umstrittenen Webseite ausschlaggebend gewesen sein könnte. War es doch der „Bruchköbeler Kurier“, der einst die Veröffentlichung eines bedeutungsvollen R.’schen Leserbriefes unterlassen hatte. Sind wir da also am Urgrund des Geschehens angelangt? Die Webseitengründung als Verarbeitung erlittener Schmach, als Therapie mithin? Kleine Ursache, dolle Wirkung also? Womöglich. Und die Frage, ob es sich bei dem ganzen Vorgang um einen solchen von gelebter Kleinstadtkultur in einer bislang noch nicht gekannten Dimension handelt, oder bloß um die neuartige Form einer Internet-Provinzposse, die wird wohl ohnehin jeder für sich selbst beantworten wie er will.
(ARCHIV/Artikel ersch. im „Bruchköbeler Kurier“ v. 19.1.06)
Im Bruchköbeler Cyberspace findet seit einiger Zeit eine bizarre Konfrontation statt, die dem gewöhnlichen Zeitungsleser bislang weitgehend verborgen geblieben ist. Stein des Anstoßes ist die Internet-Webseite eines Bruchköbelers, welche unter der Adresse "www.bruchkoebler.de" hengstbissige Artikel zum Stadtgeschehen anbietet. Der Betreiber Martin R. führt dort einen als angebliches „Magazin“ aufgehübschten Weblog, ein im Internet geführtes, öffentliches Tagebuch. Weblogs haben sich in den letzten Jahren, neben den allseits bekannten Chats und Internetforen, als Trend in der Internetszene etabliert.
In R.s Kommentaren kommen örtliche Politiker wie übrigens auch der Bruchköbeler Kurier nicht gut weg. Die städtische Politik, der Bürgermeister und überhaupt alle möglichen Autoritäten werden regelmäßig spöttisch bis an die Schmerzgrenze durch den Kakao gezogen. Sein Inhalt und Stil hatten R. im vergangenen Jahr bereits innerhalb der Main-Kinzig-FWG den Vorwurf des Populismus eingebracht und zwischenzeitlich sogar zu einem Zerwürfnis innerhalb der Kreisspitze dieser Partei geführt.
Studiert man die für Internet-Verhältnisse recht ausschweifenden Beiträge auf der Webseite allerdings näher, dann begegnet dem Leser dort ein enges, im Grunde misanthropisches Weltbild. Dieses muss sich anscheinend immer wieder neu veranstalten - hier eben in der Gestalt einer schriftstellernden Brachial-Satire.
R.’s Recherchen beschränken sich in der Regel auf das mehr oder weniger genaue Studium der Ortspresse (Schwerpunkt natürlich: der Bruchköbeler Kurier, was diesen sicherlich auch irgendwie ehrt) - sowie auf das, was im Internet sonst so greifbar ist, wenn man dort den Suchbegriff „Bruchköbel“ eingibt. Und wie ja sogar ein blindes Huhn mitunter mal ein Reiskorn auffindet, so förderte auch R. in der jüngeren Vergangenheit schon mal die eine oder andere „Sensation“ zutage, wenn er etwa eine Textpassage auf der offiziellen städtischen Homepage als Kopie aus der Webseite eines Hamburger Unternehmens entlarvte, oder wenn einige Sätze aus der Neujahrsrede des CDU-Bürgermeisters als Textanleihen gebrandmarkt werden.
Bisweilen greifen die virtuellen Ereignisse aber dann doch ins reale Leben über. Dem Chefredakteur des „Bruchköbeler Kurier“, Eberhard H., ist jetzt der Kragen geplatzt. Der auf R.’s Webseite Bespöttelte griff in der letzten Ausgabe zum Mittel eines offenen Briefes, um seinerseits dem „Phantom“ hinter der seltsamen Webseite ein bisschen einzuschenken.
Und just in diesem Moment erinnert sich der Chronist an einen fast drei Jahre zurückliegenden Vorfall, welcher letztlich für die Gründung der umstrittenen Webseite ausschlaggebend gewesen sein könnte. War es doch der „Bruchköbeler Kurier“, der einst die Veröffentlichung eines bedeutungsvollen R.’schen Leserbriefes unterlassen hatte. Sind wir da also am Urgrund des Geschehens angelangt? Die Webseitengründung als Verarbeitung erlittener Schmach, als Therapie mithin? Kleine Ursache, dolle Wirkung also? Womöglich. Und die Frage, ob es sich bei dem ganzen Vorgang um einen solchen von gelebter Kleinstadtkultur in einer bislang noch nicht gekannten Dimension handelt, oder bloß um die neuartige Form einer Internet-Provinzposse, die wird wohl ohnehin jeder für sich selbst beantworten wie er will.
(ARCHIV/Artikel ersch. im „Bruchköbeler Kurier“ v. 19.1.06)
kewelforever - 2006/01/18 22:03