Die „Neue Rechte“ in der Diskussion
Bruchköbel – Das Bruchköbeler Bündnis „Gemeinsam gegen Rechtsextrem“ veranstaltete in der vergangenen Woche im Bürgerhaus einen Abend zum Thema „Neue Rechte“ in Deutschland. Dazu hatte man als Referenten Dr. Hans-Christoph Stoodt von der Anti-Nazi-Koordination Frankfurt eingeladen.
Der Referent schilderte den rund 50 Besuchern einen im Grunde beklemmenden Zustand des Landes, indem er die Methoden und Einwirkungen verschiedener, als rechtslastig kritisierter Personen und Organisationen auf Medien und auf die öffentliche Diskussion beschrieb. Die jüngst veröffentlichten Thesen Thilo Sarrazins („Deutschland schafft sich ab“) stünden dafür als sichtbares Beispiel. Sie hätten im Lande Unruhe ausgelöst, weil sie den Blick auf angeblich außerhalb der Gesellschaft stehende „Schuldige“ lenkten.
Den extremen Rechten sei gemeinsam, dass sie ein Menschen- und Staatsbild unter das Publikum zu bringen versuchen, das auf überholte Gesellschaftsthesen gründet, das auf Strenge gegenüber sozial benachteiligten Menschen setzt und dem ein überdehntes Nationalbewusstsein eigen ist. Derzeit sei etwa eine konservative subversive Aktion damit befasst, fragwürdige Behauptungen aus dem rechten Lager durch öffentlichkeitswirksame Aktionen und durch Beeinflussung der Medien zur Geltung zu bringen, so als handele es sich bei den extremen Thesen um wissenschaftlich begründete Wahrheiten. Dazu gehörten zum Beispiel Umdeutungen der Kriegsschuld: der Weltkrieg sei nicht durch Hitler ausgelöst worden, sondern als Reaktion auf den Bolschewismus zu verstehen. Auch gerierten sich rechte Extreme gerne als „Verfolgte“, die nicht sagen dürften, was angeblich jeder sowieso denke. Es werde zum Beispiel der Autor Thilo Sarrazin als Verfolgter dargestellt, den man nicht zur Rede kommen lasse – in Wahrheit aber seien kaum jemandes anderes Thesen wochenlang so lang und breit in den Medien des Landes zitiert und debattiert worden wie diejenigen Sarrazins. Das habe letztlich zum beispiellosen Erfolg seines Buchverkaufs beigetragen.
Am Beispiel der verbreiteten Thesen werde das Menschenbild der Rechten deutlich, denn in Sarrazins Buch würden Menschen nach dem bloßen Grad ihrer Nützlichkeit eingestuft, so Stoodt, - das Menschenbild der extremen Rechten widerspreche somit eindeutig dem humanistisch geprägten und dem christlichen Menschenbild, also den Fundamenten europäischer Gesellschaften, und es richte sich im Grunde gegen den Gedanken von der Gleichheit und Gleichberechtigung aller Menschen.
Auch die gängige Vorstellung der Rechten, dass Frauen in der Welt seien, um lediglich dem Mann und der Familie zu dienen, zeige dies. Und das „Othering“, also die Methode, bestimmte Gruppen zu „Anderen“ zu erklären, werde immer wieder angewendet, um schon bei alltäglichen Problemen Zwietracht zu entfachen und zu polarisieren. An die Stelle des Bildes von einer durchaus verbesserungswürdigen Gesellschaft, in der die Menschen gleiche Rechte und Chancen haben, träten bei den extremen Rechten mehr oder weniger willkürlich definierte Schicksalsgemeinschaften. Glaube, Kultur und Volkszugehörigkeit trennen im Weltbild der extremen Rechten die Menschen dauerhaft voneinander, mit der Folge von Streit bis hin zu kriegerischen Auseinandersetzungen.
Die bürgerliche und liberale Vorstellung dagegen, dass die Geschichte der Menschheit eine Geschichte sich stetig verbessernder und verfeinernder Vertragsbeziehungen ist, sei den rechten Extremen fremd. Hinter den Vertragsbeziehungen in der Politik, zwischen Staaten, in der EU, vermuten sie regelmäßig Schiebung, Gemauschel, Dunkelmänner, „Lobbys“. Aus der Vorstellung heraus, einer permanenten Verschwörung und Vorteilnahme dunkler Mächte ausgeliefert zu sein, speise sich somit der inzwischen weit verbreitete Populismus gegen politische Entscheidungen und gegen Demokratie.
Die Veranstaltung endete mit einer intensiven Fragerunde.
(Archiv - veröffentlicht im "Bruchköbeler Kurier" vom 11.11.2010)
Der Referent schilderte den rund 50 Besuchern einen im Grunde beklemmenden Zustand des Landes, indem er die Methoden und Einwirkungen verschiedener, als rechtslastig kritisierter Personen und Organisationen auf Medien und auf die öffentliche Diskussion beschrieb. Die jüngst veröffentlichten Thesen Thilo Sarrazins („Deutschland schafft sich ab“) stünden dafür als sichtbares Beispiel. Sie hätten im Lande Unruhe ausgelöst, weil sie den Blick auf angeblich außerhalb der Gesellschaft stehende „Schuldige“ lenkten.
Den extremen Rechten sei gemeinsam, dass sie ein Menschen- und Staatsbild unter das Publikum zu bringen versuchen, das auf überholte Gesellschaftsthesen gründet, das auf Strenge gegenüber sozial benachteiligten Menschen setzt und dem ein überdehntes Nationalbewusstsein eigen ist. Derzeit sei etwa eine konservative subversive Aktion damit befasst, fragwürdige Behauptungen aus dem rechten Lager durch öffentlichkeitswirksame Aktionen und durch Beeinflussung der Medien zur Geltung zu bringen, so als handele es sich bei den extremen Thesen um wissenschaftlich begründete Wahrheiten. Dazu gehörten zum Beispiel Umdeutungen der Kriegsschuld: der Weltkrieg sei nicht durch Hitler ausgelöst worden, sondern als Reaktion auf den Bolschewismus zu verstehen. Auch gerierten sich rechte Extreme gerne als „Verfolgte“, die nicht sagen dürften, was angeblich jeder sowieso denke. Es werde zum Beispiel der Autor Thilo Sarrazin als Verfolgter dargestellt, den man nicht zur Rede kommen lasse – in Wahrheit aber seien kaum jemandes anderes Thesen wochenlang so lang und breit in den Medien des Landes zitiert und debattiert worden wie diejenigen Sarrazins. Das habe letztlich zum beispiellosen Erfolg seines Buchverkaufs beigetragen.
Am Beispiel der verbreiteten Thesen werde das Menschenbild der Rechten deutlich, denn in Sarrazins Buch würden Menschen nach dem bloßen Grad ihrer Nützlichkeit eingestuft, so Stoodt, - das Menschenbild der extremen Rechten widerspreche somit eindeutig dem humanistisch geprägten und dem christlichen Menschenbild, also den Fundamenten europäischer Gesellschaften, und es richte sich im Grunde gegen den Gedanken von der Gleichheit und Gleichberechtigung aller Menschen.
Auch die gängige Vorstellung der Rechten, dass Frauen in der Welt seien, um lediglich dem Mann und der Familie zu dienen, zeige dies. Und das „Othering“, also die Methode, bestimmte Gruppen zu „Anderen“ zu erklären, werde immer wieder angewendet, um schon bei alltäglichen Problemen Zwietracht zu entfachen und zu polarisieren. An die Stelle des Bildes von einer durchaus verbesserungswürdigen Gesellschaft, in der die Menschen gleiche Rechte und Chancen haben, träten bei den extremen Rechten mehr oder weniger willkürlich definierte Schicksalsgemeinschaften. Glaube, Kultur und Volkszugehörigkeit trennen im Weltbild der extremen Rechten die Menschen dauerhaft voneinander, mit der Folge von Streit bis hin zu kriegerischen Auseinandersetzungen.
Die bürgerliche und liberale Vorstellung dagegen, dass die Geschichte der Menschheit eine Geschichte sich stetig verbessernder und verfeinernder Vertragsbeziehungen ist, sei den rechten Extremen fremd. Hinter den Vertragsbeziehungen in der Politik, zwischen Staaten, in der EU, vermuten sie regelmäßig Schiebung, Gemauschel, Dunkelmänner, „Lobbys“. Aus der Vorstellung heraus, einer permanenten Verschwörung und Vorteilnahme dunkler Mächte ausgeliefert zu sein, speise sich somit der inzwischen weit verbreitete Populismus gegen politische Entscheidungen und gegen Demokratie.
Die Veranstaltung endete mit einer intensiven Fragerunde.
(Archiv - veröffentlicht im "Bruchköbeler Kurier" vom 11.11.2010)
kewelforever - 2010/11/11 20:01