Ostermarsch wieder friedlich, aber geprägt vom Nazi-Thema
Neonazis kamen dann doch nicht
(Bruchköbel/jgd) - Aufregende Stunden in der Stadtmitte am vergangenen Karfreitag: Der seit den 80er Jahren in Bruchköbel veranstaltete Ostermarsch-Auftakt war in diesem Jahr geprägt von den Befürchtungen, es würden sich der Veranstaltung Rechtsradikale hinzugesellen. Die NPD hatte auf ihrer Hessen-Homepage einen entsprechenden Aufruf veröffentlicht, garniert mit einer Liste der hessischen Ostermarsch-Termine in verschiedenen Städten. Die Veranstalter des Bruchköbeler Ostermarsches, darunter der DGB Main-Kinzig, hatten sich daraufhin gerichtlich gegen eine Teilnahme solcher Gruppen wehren wollen und auch das Motto der Veranstaltung um eine entsprechende Formel erweitert ("Für einen Ostermarsch ohne Nazis"). Jedoch war man damit vor Gericht nicht erfolgreich - grundsätzlich müsse auch Teilnehmern mit rechtsextremen Ansichten der Zugang zu einer solchen Demonstration erlaubt sein, so stellte es das Gericht fest. Daraufhin setzte es über die übliche Einladung zur Teilnahme hinaus weitere Aufrufe einer Frankfurter "Anti-Nazi-Koordination" und des Bruchköbeler Bündnisses "Gemeinsam gegen Rechtsextrem". Dies mit dem Ziel, möglichen Teilnehmern aus rechtsextremen Kreisen den Zutritt zum Veranstaltungsort zu verwehren. Das Wort vom "zivilen Ungehorsam" machte die Runde.
Die Stimmung war also am Karfreitag angespannt, und auf dem Freien Platz fanden sich denn auch bereits eine Stunde vor dem offiziellen Start viele "Antifaschisten" ein, die z.T. aus Frankfurt angereist waren. Die Polizei war mit rund 50 Kräften präsent. Man hatte am Kirleweg und am Viadukt Kontrollen aufgestellt. Vor Ort beobachteten auch einige Magistratsmitglieder der Stadt die Szenerie, unter ihnen auch Bürgermeister Günter Maibach und Hauptamtsleiter Dr. Achim Wächtler.-
Als es auf den offiziellen Start der Veranstaltung zuging, befanden sich rund 300 Menschen auf dem Freien Platz. Von Neonazis war allerdings nichts zu sehen. Dies sollte auch während des ganzen Verlaufs der Veranstaltung so bleiben. Kurzzeitige Aufregung entstand etwa eine halbe Stunde nach Beginn der Kundgebung, als offenbar jemand auf der Hauptstraße heranrückende Rechtsextreme gesehen haben wollte. Rund 50-100 Kundgebungsbesucher formierten sich daraufhin etwa in Höhe des "Aloisius" zu einer Straßensperre. Die Hauptstraße blieb jedoch leer, den Demonstranten standen lediglich einigen Fotografen und Polizisten gegenüber. Es setzte verhaltene Sprechchöre, die Einsatzleiterin wurde in einen verbalen Schlagabtausch verwickelt, aber nach einigen Minuten bewegte man sich dann wieder zum Veranstaltungsort zurück. Später hiess es, Rechtsradikale seien nur in einem Fall gesichtet worden, als nämlich die Polizei am Viadukt ein verdächtiges Auto angehalten habe und drei bis fünf Personen die Zufahrt in die Innenstadt verweigert habe. Das Thema "Nazis" überschattete aber letztlich die gesamte Veranstaltung. Auf dem Podium sprach zunächst MdB Christine Buchholz (Die Linke), die sich gegen Aufrüstung und die Teilnahme der Bundeswehr an internationalen Kampfeinsätzen wandte. Aus Afghanistan müsse endlich abgezogen werden. Die Stationierung von Patriot-Raketen in der Türkei erhöhe die Kriegsgefahr. Engagement in fernen Ländern dienten einem "Krieg um Rohstoffe". Arno Enzmann wies auf den Zusammenhang zwischen wachsender sozialer Spaltung und den öffentlichen Ausgaben für Rüstung und internationales militärisches Engagement hin. Nadide Aydin von der DIDF Jugend geiselte die Interventionen westlicher Länder in Ländern des Nahen Ostens, die die dortigen Konflikte verschärften und nur wieder neuen despotischen Regimes den Weg bereiteten. Dr. Hans Christoph Stoodt von der Anti-Nazi-Koordination zog eine Art Fazit der Veranstaltung, die aus seiner Sicht eine gelungene Demonstration gegen die Teilnahme von Neonazis war.
Eigentliches Thema geht unter
Kommentar von Jürgen Dick
Vielleicht taten sich die Ostermarsch-Veranstalter gar keinen Gefallen, indem sie die Mobilisierung zu ihrer Veranstaltung im Vorfeld so sehr auf das Thema eines vermuteten Neonazi-Besuchs fokussiert haben. Zwar kamen mehr Menschen zur Veranstaltung als in den Vorjahren, wie sich am Karfreitag zeigte. Aber das eigentliche Thema des Ostermarsches geht auf diese Weise unter. Man demonstriert beim Ostermarsch dann am Ende nur noch, um gegen Nazis auf dem Ostermarsch zu demonstrieren. Die Veranstaltung gerät so zum Selbstzweck. Und es könnte sogar sein, dass genau dies das Ziel der NPD gewesen ist: Mit Internet-Aufrufen zur Teilnahme an den Ostermärschen die eigentlichen Veranstalter zu provozieren - und sich hinterher über die entstandene Hysterie ins Fäustchen zu lachen. Ein echter Nazi aus Fleisch und Blut musste sich für die so entstandene kostenlose Publicity erst gar nicht nach Bruchköbel in Bewegung setzen. Etwas mehr Ruhe und Besonnenheit wäre den Veranstaltern also für die Zukunft anzuraten. Vielleicht wären auch weniger platte, aber dafür mehr analytische und vielleicht auch einmal besonnen selbstkritische Wortbeiträge keine ganz so schlechte Idee.
(Bruchköbel/jgd) - Aufregende Stunden in der Stadtmitte am vergangenen Karfreitag: Der seit den 80er Jahren in Bruchköbel veranstaltete Ostermarsch-Auftakt war in diesem Jahr geprägt von den Befürchtungen, es würden sich der Veranstaltung Rechtsradikale hinzugesellen. Die NPD hatte auf ihrer Hessen-Homepage einen entsprechenden Aufruf veröffentlicht, garniert mit einer Liste der hessischen Ostermarsch-Termine in verschiedenen Städten. Die Veranstalter des Bruchköbeler Ostermarsches, darunter der DGB Main-Kinzig, hatten sich daraufhin gerichtlich gegen eine Teilnahme solcher Gruppen wehren wollen und auch das Motto der Veranstaltung um eine entsprechende Formel erweitert ("Für einen Ostermarsch ohne Nazis"). Jedoch war man damit vor Gericht nicht erfolgreich - grundsätzlich müsse auch Teilnehmern mit rechtsextremen Ansichten der Zugang zu einer solchen Demonstration erlaubt sein, so stellte es das Gericht fest. Daraufhin setzte es über die übliche Einladung zur Teilnahme hinaus weitere Aufrufe einer Frankfurter "Anti-Nazi-Koordination" und des Bruchköbeler Bündnisses "Gemeinsam gegen Rechtsextrem". Dies mit dem Ziel, möglichen Teilnehmern aus rechtsextremen Kreisen den Zutritt zum Veranstaltungsort zu verwehren. Das Wort vom "zivilen Ungehorsam" machte die Runde.
Die Stimmung war also am Karfreitag angespannt, und auf dem Freien Platz fanden sich denn auch bereits eine Stunde vor dem offiziellen Start viele "Antifaschisten" ein, die z.T. aus Frankfurt angereist waren. Die Polizei war mit rund 50 Kräften präsent. Man hatte am Kirleweg und am Viadukt Kontrollen aufgestellt. Vor Ort beobachteten auch einige Magistratsmitglieder der Stadt die Szenerie, unter ihnen auch Bürgermeister Günter Maibach und Hauptamtsleiter Dr. Achim Wächtler.-
Als es auf den offiziellen Start der Veranstaltung zuging, befanden sich rund 300 Menschen auf dem Freien Platz. Von Neonazis war allerdings nichts zu sehen. Dies sollte auch während des ganzen Verlaufs der Veranstaltung so bleiben. Kurzzeitige Aufregung entstand etwa eine halbe Stunde nach Beginn der Kundgebung, als offenbar jemand auf der Hauptstraße heranrückende Rechtsextreme gesehen haben wollte. Rund 50-100 Kundgebungsbesucher formierten sich daraufhin etwa in Höhe des "Aloisius" zu einer Straßensperre. Die Hauptstraße blieb jedoch leer, den Demonstranten standen lediglich einigen Fotografen und Polizisten gegenüber. Es setzte verhaltene Sprechchöre, die Einsatzleiterin wurde in einen verbalen Schlagabtausch verwickelt, aber nach einigen Minuten bewegte man sich dann wieder zum Veranstaltungsort zurück. Später hiess es, Rechtsradikale seien nur in einem Fall gesichtet worden, als nämlich die Polizei am Viadukt ein verdächtiges Auto angehalten habe und drei bis fünf Personen die Zufahrt in die Innenstadt verweigert habe. Das Thema "Nazis" überschattete aber letztlich die gesamte Veranstaltung. Auf dem Podium sprach zunächst MdB Christine Buchholz (Die Linke), die sich gegen Aufrüstung und die Teilnahme der Bundeswehr an internationalen Kampfeinsätzen wandte. Aus Afghanistan müsse endlich abgezogen werden. Die Stationierung von Patriot-Raketen in der Türkei erhöhe die Kriegsgefahr. Engagement in fernen Ländern dienten einem "Krieg um Rohstoffe". Arno Enzmann wies auf den Zusammenhang zwischen wachsender sozialer Spaltung und den öffentlichen Ausgaben für Rüstung und internationales militärisches Engagement hin. Nadide Aydin von der DIDF Jugend geiselte die Interventionen westlicher Länder in Ländern des Nahen Ostens, die die dortigen Konflikte verschärften und nur wieder neuen despotischen Regimes den Weg bereiteten. Dr. Hans Christoph Stoodt von der Anti-Nazi-Koordination zog eine Art Fazit der Veranstaltung, die aus seiner Sicht eine gelungene Demonstration gegen die Teilnahme von Neonazis war.
Eigentliches Thema geht unter
Kommentar von Jürgen Dick
Vielleicht taten sich die Ostermarsch-Veranstalter gar keinen Gefallen, indem sie die Mobilisierung zu ihrer Veranstaltung im Vorfeld so sehr auf das Thema eines vermuteten Neonazi-Besuchs fokussiert haben. Zwar kamen mehr Menschen zur Veranstaltung als in den Vorjahren, wie sich am Karfreitag zeigte. Aber das eigentliche Thema des Ostermarsches geht auf diese Weise unter. Man demonstriert beim Ostermarsch dann am Ende nur noch, um gegen Nazis auf dem Ostermarsch zu demonstrieren. Die Veranstaltung gerät so zum Selbstzweck. Und es könnte sogar sein, dass genau dies das Ziel der NPD gewesen ist: Mit Internet-Aufrufen zur Teilnahme an den Ostermärschen die eigentlichen Veranstalter zu provozieren - und sich hinterher über die entstandene Hysterie ins Fäustchen zu lachen. Ein echter Nazi aus Fleisch und Blut musste sich für die so entstandene kostenlose Publicity erst gar nicht nach Bruchköbel in Bewegung setzen. Etwas mehr Ruhe und Besonnenheit wäre den Veranstaltern also für die Zukunft anzuraten. Vielleicht wären auch weniger platte, aber dafür mehr analytische und vielleicht auch einmal besonnen selbstkritische Wortbeiträge keine ganz so schlechte Idee.
kewelforever - 2013/04/01 08:01