15
Dez
2010

Neue Mitte, Neues Denken

Einstweilen befinden wir uns bei den Planungen zur Bruchköbeler „Neuen Mitte“ noch in der Phase der Machbarkeitsstudien. Das klingt so, als schaute man erst mal, was überhaupt geht. Aber mit einer Machbarkeitsstudie beginnen nun einmal alle vernünftigen Planungen.

Sprich also getrost: Das Projekt „Neue Mitte“, es hat bereits begonnen.

Wir werden also wohl bald eine vierte Rathausgeneration in der Stadtmitte erleben. Das erste Rathaus, das heute „Spielhaus“ heisst, war noch bis in das 16. Jahrhundert als Mehrzweckgebäude genutzt worden – nicht nur die Verwaltung, sondern auch dörfliche Veranstaltungen und Gericht fanden hier statt.

Dann wurde das Rathausgebäude am Freien Platz errichtet – in seiner Zweckbestimmung ganz und gar als damals sehr modernes kommunales Verwaltungsgebäude konzipiert. Mit so einem Rathaus, natürlich im Ortsmittelpunkt und ganz nahe der Kirche errichtet, wurde man seinerzeit ernst genommen. Das heute „Altes Rathaus“ genannte Gebäude erfüllte über lange Zeit seinen Zweck. Noch als Kind in den 60ern habe ich dort, die steinerne Treppe hinauf, im ersten Zimmer rechts, meine jährliche Schwimmbad-Dauerkarte erstanden. Will heißen, dieses erstaunliche Rathaus funktionierte über rund 500 Jahre, das ist eigentlich für heutige Verhältnisse geradezu unglaublich.

Aber die Zeiten sollten sich ändern.

In den 70ern des letzten Jahrhunderts war in Deutschland so etwas wie eine politische Revolution angesagt worden. Die hatte zur Folge, dass Politik und Verwaltung mehr Raum einzunehmen begannen. Es war ein Trend der Zeit: Indem man den Bürger mehr und mehr verwaltet, zeigt man, dass man ihn ernst nimmt. Das hatte Einfluss auf die Architektur. Es entstanden vielerorts gewaltige Rathausgebäude, nicht nur in Bruchköbel. Unser Neues Rathaus gegenüber dem „Löwen“ mutete damals geradezu futuristisch an. Es war damals selbstverständlich, dass für Politik und Verwaltung der zentralste, beste Platz am Ort gerade gut genug sein musste.

Man kann auch sagen, damals wurde das Projekt „Neue Mitte I“ verwirklicht, mit dem Rathaus als Zentrum.

Die neuerlichen Entwürfe nun, nur 40 Jahre später, sind also genau genommen eine „Neue Mitte II“, sozusagen die nächste Stufe, die gezündet wird.

Wer genau hinsieht, erkennt jetzt eine neue Bescheidenheit: Man scheint nun bemüht, den Rathausneubau durch das parallele Einplanen von Geschäftsräumen, also durch Mieteinnahmen zu finanzieren. Kein Verwaltungspalast, sondern ein Mehrzweckgebäude mit Zusatznutzen soll es wohl werden. Eigentlich so wie zu der Zeit vor 600 Jahren, als das Spielhaus noch das Rathaus gewesen ist.

Es kommt eben alles wieder. Die Politik, zurück im realen Leben. Eine sympathische Vorstellung, irgendwie.

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