Richtungsänderungen
Vier Politiker der Stadt Bruchköbel haben jüngst im Facebook-"Forum Bruchköbel" mitgeteilt, es habe im lokalen Blättchen "Bruchköbeler Kurier" eine "Richtungsänderung bei der Berichterstattung" gegeben. Es entstand darauf eine heftige Diskussion. Der Ton (einiger weniger Teilnehmer, um fair zu sein) wurde im Verlauf weniger Tage und hunderter Beiträge ziemlich rau. Und der Chefredakteur des BK bekam dabei kräftig auf die persönliche Mütze.
Der Selbstkritik-Sensor meldete sich. Eine "Richtungsänderung bei der Berichterstattung" habe es also im BK gegeben. Aber welche denn nur? Und von wo nach wohin? Ich stellte Erkundigungen in der BK-eigenen Richtungskontrollabteilung an. Immerhin hatte ich einen sachdienlichen Hinweis zur Hand: Auf Facebook war gemutmaßt worden, dass die Richtungsänderung "2013" eingetreten sein soll. Der Richtungsänderungsbeauftragte vom BK (jede Zeitung hat so einen, heisst es) blätterte also sämtliche 2013er Ausgaben des BK nochmal durch. Er kam zu dem Schluss, dass sich Berichterstattung halt manchmal einfach deswegen ändere, weil sich die Dinge ändern, über die geschrieben wird. Das sei normal. Und richtig, im Jahr 2013 war politisch ja auch tatsächlich was los.
Damals begann, erstens, der Bürgermeisterwahlkampf. Die politische Stimmung in der "politischen Community" Bruchköbels spitzte sich also zu - man kann auch sagen: sie änderte die (Ziel-)Richtung. Plötzlich waren nie gekannte Themen in aller Munde. Die S-Bahn. Die Piazza. Zweitens waren vom Bürgermeister schon im Frühjahr spektakulär verbesserte Haushaltszahlen vorgelegt worden. Das war damals eine kleine Sensation - die Defizite der Jahre 2009 bis 2012 standen nach Revisionsrechungen fast nur noch halb so hoch, als bislang fortwährend beklagt. Es war im Prinzip eine sehr gute Nachricht für die Stadt und die Bürger. Es freute sich dennoch kaum ein Politiker darüber. Die Berichterstattung sah dann womöglich aus Sicht mancher plötzlich zu "positiv" aus. Man war das gar nicht mehr gewohnt. Das war aber so, weil sich die Tatsachen selbst positiv zeigten. Vorher, während der größeren Haushaltslöcher, waren die Tatsachen eher "negativ" gewesen. Insofern haben wir hier eine nachweisbare "Richtungsänderung in der Berichterstattung" vorliegen. Ertappt, BK.-
Einmal im Ernst: Eine Zeitung muss nicht zwanghaft miesmachen. Wenn sich Daten und Fakten ändern, dann berücksichtigen Schreiber dies. Hier geht es also um eine lebendige Berichterstattung. Diese sollte aktuelle Ereignisse spiegeln. Letztlich müssen Journalisten der Öffentlichkeit möglichst gut belegten Stoff anbieten, der zur Meinungsbildung beiträgt. Schärfer ist ihr Auftrag nicht formuliert. Keinesfalls aber sollten sie den Aufforderungen von Parteifunktionären nachgeben, eine bestimmte "Richtung" in der Berichterstattung einzuhalten. Diese klägliche Forderung nämlich ist es, die hinter dem Vorwurf der angeblichen "Richtungsänderung bei der Berichterstattung" steckt, meine ich.
Jürgen Dick, im September 2014
Siehe auch hier.
Der Selbstkritik-Sensor meldete sich. Eine "Richtungsänderung bei der Berichterstattung" habe es also im BK gegeben. Aber welche denn nur? Und von wo nach wohin? Ich stellte Erkundigungen in der BK-eigenen Richtungskontrollabteilung an. Immerhin hatte ich einen sachdienlichen Hinweis zur Hand: Auf Facebook war gemutmaßt worden, dass die Richtungsänderung "2013" eingetreten sein soll. Der Richtungsänderungsbeauftragte vom BK (jede Zeitung hat so einen, heisst es) blätterte also sämtliche 2013er Ausgaben des BK nochmal durch. Er kam zu dem Schluss, dass sich Berichterstattung halt manchmal einfach deswegen ändere, weil sich die Dinge ändern, über die geschrieben wird. Das sei normal. Und richtig, im Jahr 2013 war politisch ja auch tatsächlich was los.
Damals begann, erstens, der Bürgermeisterwahlkampf. Die politische Stimmung in der "politischen Community" Bruchköbels spitzte sich also zu - man kann auch sagen: sie änderte die (Ziel-)Richtung. Plötzlich waren nie gekannte Themen in aller Munde. Die S-Bahn. Die Piazza. Zweitens waren vom Bürgermeister schon im Frühjahr spektakulär verbesserte Haushaltszahlen vorgelegt worden. Das war damals eine kleine Sensation - die Defizite der Jahre 2009 bis 2012 standen nach Revisionsrechungen fast nur noch halb so hoch, als bislang fortwährend beklagt. Es war im Prinzip eine sehr gute Nachricht für die Stadt und die Bürger. Es freute sich dennoch kaum ein Politiker darüber. Die Berichterstattung sah dann womöglich aus Sicht mancher plötzlich zu "positiv" aus. Man war das gar nicht mehr gewohnt. Das war aber so, weil sich die Tatsachen selbst positiv zeigten. Vorher, während der größeren Haushaltslöcher, waren die Tatsachen eher "negativ" gewesen. Insofern haben wir hier eine nachweisbare "Richtungsänderung in der Berichterstattung" vorliegen. Ertappt, BK.-
Einmal im Ernst: Eine Zeitung muss nicht zwanghaft miesmachen. Wenn sich Daten und Fakten ändern, dann berücksichtigen Schreiber dies. Hier geht es also um eine lebendige Berichterstattung. Diese sollte aktuelle Ereignisse spiegeln. Letztlich müssen Journalisten der Öffentlichkeit möglichst gut belegten Stoff anbieten, der zur Meinungsbildung beiträgt. Schärfer ist ihr Auftrag nicht formuliert. Keinesfalls aber sollten sie den Aufforderungen von Parteifunktionären nachgeben, eine bestimmte "Richtung" in der Berichterstattung einzuhalten. Diese klägliche Forderung nämlich ist es, die hinter dem Vorwurf der angeblichen "Richtungsänderung bei der Berichterstattung" steckt, meine ich.
Jürgen Dick, im September 2014
Siehe auch hier.
kewelforever - 2014/09/11 07:01