10
Sep
2009

Roßdorfer Funkloch verärgert Mobilfunknutzer

Bruchköbel – Wer bereits vor dem Jahr 2000 mit dem Handy in Rossdorf zugange gewesen ist, erinnert sich womöglich noch an die Empfangssituation im Innenbereich des Ortsteils, als an mancher Stelle keine Verbindung möglich war.

Die Situation hatte sich mit der Installation eines Senders im Kirchturm schlagartig verbessert. Seither schien das Thema Handy-Empfang im Ortsteil gelöst. Allerdings kam der Sender im Kirchturm bald in die Kritik, weil Zweifel an der Gesundheitsverträglichkeit der Senderstrahlung geäußert wurden. Die Kirchturmsender in Rossdorf wie auch in der Jakobuskirche waren zwischenzeitlich zum Ziel einer Kampagne geworden, weil sie angeblich die Gesundheit bedrohen.

Solcher Verdacht hat sich zwar in den Folgejahren nicht bestätigt, und auch der im Jahr 2006 hinzugezogene Gutachter, der später eine Sendestandortplanung für Bruchköbel erstellte, hatte in innerörtlichen Straßen Roßdorfs niedrige Strahlenwerte ermittelt. Aber die Rossdorfer Kirchengemeinde hatte den Vertrag mit dem Sendeausrüster inzwischen gekündigt.

Seit Anfang August häufen sich nun die Beschwerden im Rathaus, dass Teile des Roßdorfer Mobilfunknetzes nicht mehr verfügbar seien. Nach den Mitteilungen betroffener Bürger handele es sich dabei um das T-Mobile Angebot, teilte das Rathaus mit. Man habe nachvollzogen, dass der zehnjährige Mietvertrag zwischen dem Kirchenvorstand der Kirchengemeinde Rossdorf und dem Mobilfunkmastbetreiber im Kirchturm zum 1. August 2009 ausgelaufen ist. Das sei T-Mobile seit 2001 bekannt.

Dass sich T-Mobile nunmehr versuche, aus der Verantwortung zu ziehen, indem man gegenüber den Kunden behaupte, die Stadt Bruchköbel würde keine Baugenehmigung für Mobilfunkmasten erteilen, hält der Erste Stadtrat für unlauter. Seit 2006 sei allen Mobilfunknetzbetreibern die Mobilfunkplanung der Stadt Bruchköbel bekannt. Weiterhin lägen mittlerweile Betreibern von Mobilfunktürmen zwei Baugenehmigungen für Standorte entsprechend der vom Parlament beschlossenen Mobilfunkplanung vor. Einer davon sei auch für die Versorgung von Rossdorf gedacht. T-Mobile habe aber offensichtlich bislang keinen Auftrag zur Errichtung eines Funkturms erteilt, kritisiert das Rathaus.

Das Bemühen der Stadt Bruchköbel zur Beendigung dieses unbefriedigenden Zustandes habe lediglich zu den Aussagen geführt, dass bis in den Herbst die Versorgung wieder gewährleistet sein solle. Planungsrechtlich sei jedoch aus Sicht der Stadt alles klar, die Stadtverwaltung habe das Einvernehmen zu Mobilfunkstandorten entsprechend der Mobilfunkplanung erteilt. Wenn dann die Betreiber nicht rechtzeitig handeln, könne das nicht der Stadt zum Vorwurf gemacht werden, so die Stadtspitze.

*

Abstimmungsprobleme

Kommentar von Jürgen Dick

Die Funkloch-Schelte in Richtung T-Mobile mag leicht fallen, aber der Vorgang in Roßdorf weist bei näherem Hinsehen auf Widersprüchlichkeiten des Bruchköbeler Projektes „Unabhängige Senderstandortplanung“ hin.

Dieses war vom Planer der Stadt, einer Münchener Firma, ohne Einbindung der Mobilfunkfirmen erstellt worden – was alleine schon fragwürdig ist. Die Stadt hat nichts als ein Heft mit Standortvorschlägen in der Hand, die rechtlich nicht durchsetzbar sind. Es bräuchte einen technisch bewanderten Fachmann, der das Projekt mit den Mobilfunkfirmen abstimmt. An dieser Stelle hätte der eigentliche Job des Planers beginnen müssen. Stattdessen ist man nach wie vor auf das Wohlwollen der Mobilfunkfirmen angewiesen – die Verwaltung muss die Standorte anbieten wie sauer Bier.

Würde T-Mobile wider Erwarten doch wieder mit der Roßdorfer Kirchengemeinde handelseinig, könnte die Stadt einem Weiterbetrieb des Kirchturmsenders nichts entgegensetzen.

Und das wäre sogar zu begrüßen.

Gerade weil sämtliche Sender hinaus auf die Felder verbannt werden, wird sich für mobile Telefonierer im Stadtgebiet erhöhte Strahlenbelastung einstellen. Der große Abstand zu den Sendestationen hat zur Folge, dass Handys die Sendeleistung direkt am Kopf nach oben regeln – auf diesen Zusammenhang wird inzwischen auch umweltbehördlich hingewiesen.

Einseitige Konzepte wie das der Stadt stehen deswegen in der Kritik. Die Behauptung, dadurch würde die Strahlenbelastung minimiert, ist bei Betrachtung des Gesamtbildes ein Märchen aus alten Tagen.

Überhaupt ist die Bruchköbeler Funkturmplanung ein regionales Unikum, das sich keine andere Kommune im weiten Umkreis antut. Würde die Planung voll umgesetzt, sind mehr hässliche Masten als zuvor zu erwarten, rund um die ganze Stadt, meist mitten ins Grüne und wo immer es geht auf Anhöhen gestellt. Zwei neue Funktürme auf dem Buckel zwischen Niederissigheim/Rossdorf sowie nahe der Fechenmühle sind genehmigt und dürften die Silhouette der Stadt bald „bereichern“.

Und weitere Holprigkeiten sind zu befürchten: Zu Ende November wurde der Funkturm am Waldsportplatz gekündigt. Möglicherweise im Übereifer. Wird der Mast ersatzlos abgeschaltet, könnte sich nämlich auch im Südteil Bruchköbels ein Funkloch auftun. Es müsste entsprechend der Planung eine Alternative her, wahrscheinlich deren sogar zwei.

Bislang aber ist kein gleichwertiger Ersatz beantragt. Schon zwei Mal hat man in den letzten Jahren die Kündigung dann doch wieder zurücknehmen müssen, weil niemand einen Umzug des Standortes bezahlen wollte.


(veröffentlicht im „Bruchköbeler Kurier“ vom 3.9.2009)

*

Die Replik des Ersten Stadtrates Bruchköbel zum obigen Kommentar:

Keine Abstimmungsprobleme

Funkloch ist von Mobilfunkbetreibern hausgemacht

Bruchköbel - Dass es beim Thema Mobilfunk eine Meinungsvielfalt gibt, sei hinlänglich bekannt, betont das Büro des Ersten Stadtrates in einer aktuellen Pressemitteilung. Daher sei es Herrn Jürgen Dick als Journalisten selbstverständlich freigestellt, den Versorgungsengpass in Rossdorf zum Anlass zu nehmen die Problematik nochmals zu kommentieren.

Von Seiten der Stadtverwaltung sind dazu aber ein paar korrigierende Richtigstellungen notwendig, so der Erste Stadtrat Uwe Ringel: Der Kommentator findet es fragwürdig eine Mobilfunkplanung ohne Einbindung der Mobilfunkfirmen erstellt zu haben. Die Mobilfunkplanung der Stadt Bruchköbel konnte nicht mit den Mobilfunkfirmen erfolgen, weil diese bis heute erklären sich an keinerlei kommunaler Mobilfunkplanung mehr zu beteiligen. Die einzige Zusammenarbeit zwischen Mobilfunkbetreibern und den Kommunen in Deutschland findet auf der Basis der Vereinbarung über den Informationsaustausch statt. Außer diesen jährlichen Mitteilungen über Vorhaben der Betreiber an die Kommunen wird jeglicher Kontakt abgelehnt. Die Verwaltung muss keine Standorte wie sauer Bier anbieten. Die Mobilfunkbetreiber beauftragen Aquisiteure für die Suche nach möglichen Mobilfunkstandorten. Wenn diese bei der Stadt vorsprechen, bekommen diese die Planstandorte vorgelegt.

Andere Standorte lassen sich derzeit in Bruchköbel nicht realisieren, weil kein Immobilienbesitzer gegenwärtig bereit ist, derartige Verträge mit Mobilfunkbetreibern abzuschließen. Insofern hat die Mobilfunkplanung auch ohne baurechtliche Wirkung eine hohe Bedeutung für die Stadt. Von einer "Kündigung im Übereifer" des Standortes am Fussballplatz kann nach Auffassung der Stadtverwaltung keine Rede sein. Die Kündigung wurde zum Zwecke der Ersatzmaßnahme bei der ersten Fälligkeit um 1 Jahr verlängert und danach nochmals um zwei Jahre. Dass der alternative Standort an der Fechenmühle heute nach 3 Jahren noch nicht errichtet ist kann nicht einem Übereifer der Stadt angelastet werden.

Für Auswirkungen nach Ablauf der Verträge nach 3jähriger Verlängerung mit e-plus Ende November trägt allein der Betreiber die Verantwortung. Eine finanzielle Komponente im Sinne von "wer bezahlt den Umzug" war dabei niemals im Spiel.

(veröffentlicht im „Bruchköbeler Kurier“ vom 10.9.2009)

*

Links zum Thema Bruchköbeler Standortplanung:

Kampf gegen Sendemasten - Der Pyrrhussieg von Bruchköbel

Diskussion im Forum des Informationszentrum gegen Mobilfunk: Der Pyrrhussieg von Bruchköbel

Diskussion im Forum des Informationszentrum gegen Mobilfunk: IMOWOB Bruchköbel - Was erreicht worden ist

2007er Bürgermeisterwahl
2008er Haushalt
2009er Haushalt
2010er Haushalt
2011er Haushalt
2011er Kommunalwahl
2012 2013er Haushalt
2013er Bürgermeisterwahl
2014er Haushalt
37 Grad Celsius
Bauen und Verkehr
Bruchköbel wird neu
Bruchkoebel goes live
Cyberkewel
Ehrungen und Krönungen
Gesellschaft
... weitere
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren