5
Jun
2008

SPD: Schluss mit lustig

Bruchköbel - Nach seinem Übertritt zur Bürgerbund-Fraktion geht die Bruchköbeler SPD mit ihrem ehemaligen Fraktionsmitglied Franco Piscitello streng ins Gericht. Man habe ihm nach Bekanntwerden seines Wechsels eine Frist von einer Woche gesetzt, sein Mandat beim Bürgerbund (BBB) aufzugeben. Das Verstreichen dieser Frist komme nun einem Austritt gleich.

Piscitellos Übertritt zum Bürgerbund sei sowieso nicht überraschend gekommen, so SPD-Partei- und Fraktionsvorsitzender Perry von Wittich, der auch andeutet: „Wir wussten schon lange, dass ihm etwas eingeflüstert wird“. Man habe dem „lustigen Franco“ vieles zu lange nachgesehen und erhalte nun den „undankbaren Tritt in den Hintern“.

Nach Piscitellos rund 7 Jahren Fraktionszugehörigkeit und gemeinsamer politischer Arbeit sagt die SPD dem italienischstämmigen Roßdorfer nunmehr „oft unfreiwillig amüsante Redebeiträge“ nach. „Aber jetzt ist Schluss mit lustig“, betont Perry von Wittich.

Die Tätigkeit für eine weitere Partei oder Wählervereinigung sei satzungsgemäß mit der Mitgliedschaft in der SPD nicht vereinbar. „Da interessiert uns weder was Herr Piscitello sich wünscht noch was in den Satzungen des BBB steht. Glücklicherweise geben uns die Statuten der SPD die Möglichkeit schnell und konsequent zu handeln. Das haben wir getan und damit ist er raus“, so von Wittich in strenger Manier, und fährt weiteres Geschütz auf: Piscitello sei immer ein „Eigenbrötler“ gewesen, der sich nie an die Regeln einer Fraktionsgemeinschaft oder der Stadtverordnetenversammlung gehalten habe. Er habe sich lieber als „Politiker für Europa“ gesehen und nicht als einen Kommunalpolitiker, der über die Liste der SPD gewählt wurde.

Franco Piscitello selbst schilderte dem BK die Umstände seines Übertritts in die BBB-Fraktion anders. So sei es nicht wahr, daß er abgeworben worden sei oder man ihm etwas eingeflüstert habe. Er sei von sich aus auf den BBB zugegangen, den er selbst ausdrücklich nicht als eine Partei auffassen will, sondern als „einen Bund von Bürgern“, der nur lokal politisch arbeite. In Land und Bund fühle er sich der Sozialdemokratie weiterhin verbunden.

Er wolle seine Beiträge weiter zahlen, habe in der Vergangenheit auch Spenden überwiesen. Er habe sich aber in den letzten Jahren in der Bruchköbeler SPD beim Äußern seiner Meinung mehr und mehr gegängelt gefühlt. „Manchmal war es, als hätte ich einen persönlichen Politkommissar“, so zeichnet Piscitello ein trübes Bild der demokratischen Verhältnisse in der Partei.

Mit Äußerungen über ihn als „lustigen Franco“ versuche die Führung der Bruchköbeler SPD nunmehr, ihn als nicht ernstzunehmenden Menschen hinzustellen. Das sei, gerade im Hinblick auf seine lange Mitgliedschaft und politische Arbeit in der SPD, verletzend. Der 71-jährige Piscitello betont, daß er Zeit seines Lebens ernsthafte Politik gemacht habe, beispielsweise schon unter Italiens Mussolini-Regime antifaschistisch engagiert gearbeitet habe.

Richtig sei auch, daß ihm die Europapolitik der SPD ein wichtiges Anliegen sei. Wenn aber die Bruchköbeler SPD ausgerechnet damit ein Problem habe, dann müsse sie sich fragen, in welcher Tradition sie sich eigentlich sehe.

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Im Glashaus

Kommentar von Jürgen Dick

Wenn man bedenkt, daß die Volkspartei SPD seit 1990 über ein Drittel ihrer Mitglieder verloren hat, dann muss man deren Bruchköbeler Sektion ein geradezu strotzendes Selbstbewusstsein bescheinigen.

Der Weggang eines Mitgliedes, das immerhin schon kraft seiner eigenen Geschichte einen Farbtupfer in Partei und Parlament hineinzubringen wusste, sollte doch wenigstens nachdenklich stimmen.

Dass Franco Piscitello durch eine gewisse Abneigung gegen Partei-Kollektivismus, dafür aber ersatzweise durch selbstständiges Denken auffällig geworden war, hat ihm in der Bruchköbeler SPD-Führung anscheinend nicht nur Freunde eingebracht. Plötzlich, nach 7 Jahren, weiss man von dort zu berichten, daß sich Piscitello „nie“ (!) „an die Regeln der Stadtverordnetenversammlung“ gehalten haben soll.

Da müsste sich die SPD-Fraktionsführung dann doch schon einmal fragen lassen, warum sie einen solchen ungeliebten Freigeist denn dann überhaupt jahrelang in ihrer Fraktion geduldet hat. Und es hat auch etwas anmaßend Erzieherisches an sich, wenn man betont, man habe dem selbstverantwortlichen Mitglied Piscitello „vieles zu lange nachgesehen“. Als sei eine Partei die Schulmeisterin unmündiger Mitglieder.

Die Aufregung der SPD-Führung wirkt ein bisschen wie das Werfen mit Steinen aus dem Glashaus. Ob aber nun der BBB in Zukunft mit einem Freidenker wie Piscitello besser umgehen kann, ist übrigens auch noch nicht ausgemacht. Leute mit eigenem Kopf sind nicht immer pflegeleicht, aber (und das ist ein Wert für sich:) sie würzen den demokratischen Alltag.


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(ersch. im "Bruchköbeler Kurier" vom 5.6.2008)

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